Kommentar: Die digitale Dystopie heißt Meta

Wenn Facebook mit seinem Metaversum alle Bereiche des digitalen Lebens durchdringt, kann es zur unverzichtbaren Supermacht werden, findet Nico Ernst.

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(Bild: Frederic Legrand - COMEO/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Nico Ernst

"Ich hab kein Facebook" – bei Menschen unter 25, die sich Gedanken um Privatsphäre und Datenschutz machen, ist das ein Mantra. Reflexartig kommt diese Aussage, und wenn man dann nach WhatsApp und Instagram fragt: Natürlich wird das genutzt.

Facebook, das jetzt Meta heißt, ist es gelungen, sein zugrundelegendes Geschäftsmodell als Datenkrake und Werbeplattform unter anderen Marken zu verstecken. Es ist nur folgerichtig, dass das Unternehmen das nun auch unter einer neuen Dachmarke versucht.

Ein Kommentar von Nico Ernst

Nico Ernst schreibt seit über 20 Jahren über IT-Themen und gelegentlich auch über Musik. Hardware, Wirtschaft und Netzpolitik sind seine bevorzugten Themen. Da er mit ZX81, C64 und Atari VCS aufwuchs kann er sich auch einem gelegentlichen Spiel noch immer nicht entziehen.

Dabei soll Meta, genauer der Dienst Metaversum, noch viel weiter gehen als alle Angebote von Facebook bisher. Eine VR-Umgebung, Shopping, Lernen, Geschäftsprozesse, Spiele, kurz: ein ganzes digitales Universum ist geplant. Dass das am besten mit den VR-Headsets des Unternehmens klappt, ist logisch. Auch andere ursprünglich von Software getriebene Firmen wie Google und Microsoft verdienen inzwischen mit eigenen Geräten gutes Geld.

Bisher weiß Facebook vor allem aus den Beziehungen der Menschen in seinen Diensten und aus den ausgetauschten Texten und Links, was die ganze Welt bewegt. Maschinelles Lernen, oder hipper formuliert Künstliche Intelligenz, wertet das alles aus, erstellt Profile und macht Menschen zur ideal vermarktbaren Ware.

In einem Meta-Universum reicht dafür auch jede Bewegung, jeder Blick, jedes Verharren an einer bestimmten Stelle: Hast Du dem Avatar da drüben gerade auf den verlängerten Rücken gestarrt? Bist Du am virtuellen Angebot für ein Pay-to-Win-Spiel vielleicht etwas langsamer vorüber gegangen? Cool, wir zeigen Dir mehr davon. Und irgendwann klickst Du und bezahlst auch mit echtem Geld. Win-Win für Meta. Für Dich vielleicht nicht so ganz, ist uns aber egal.

Ja, das ist eine digitale Dystopie. Und man muss, um an sie zu glauben, Facebook viel Böses unterstellen. Aber es gibt keinen Grund diesem Konzern auch nur einen Millimeter weit zu vertrauen, erst recht nicht Mark Zuckerbergs Beteuerungen, Datenschutz an oberste Stelle zu setzen. Erst kürzlich – und der zeitliche Zusammenhang ist sicher auch kein Zufall – hat die Whistleblowerin Frances Haugen Interna veröffentlicht, die nicht nur katastrophale innere Führung belegen.

Facebook weiß wie schädlich die Mechanismen der selbst geschaffenen Empörungsökonomie sind – und tut wenig dagegen. Wenn der Konzern mal dabei erwischt wird, gibt es vorher geplante Strategien der Leugnung und Desinformation, um das unter den Teppich zu kehren. Auch über Einfluss zum Beispiel auf die Selbstwahrnehmung des eigenen Körpers von Jugendlichen ist Facebook voll im Bilde – und produziert vollautomatisch mit den Filtern von Instagram mehr Bilder, die Körper darstellen, die es so nicht gibt.

Ob Person oder Unternehmen – wer auch immer das Metaverse nutzt oder mit ihm Geschäfte macht, sollte sich im Klaren sein: Das Monster wird dadurch immer weiter gefüttert, kann wachsen, und sein Geld in immer mehr neue Dienste stecken. Wenn Gesellschaft und Politik das weiterhin ohne Kontrolle und Regulierung zulassen hilft in vielleicht 10 Jahren der Satz: "Ich hab kein Metaversum" auch nicht weiter. Man wird es nutzen – auch wenn man es gar nicht merkt.

(nie)