Kommentar zu Mt. Gox: Mein halbvollstes Vertrauen für Bitcoin

Nach der Insolvenz der Bitcoin-Börse Mt. Gox ist die Rede von einer schwerwiegenden Vertrauenskrise, manche hören schon die Totenglocken für die Kryptowährung läuten. Das wird dem Potenzial des Bitcoin nicht gerecht.

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Ein Kommentar von Axel Kannenberg

Axel Kannenberg durchforstet seit 2012 für heise online die unendlichen Weiten des Internets nach News, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Beherrscht die edle Kunst des Beleidigungsfechtens. Hat 2013 einen Döner für umgerechnet mehrere Tausend Euro genossen (nach heutigem Bitcoinkurs).

Hätte ich einen Bitcoin für jedes Mal, dass jemand das Ende der Kryptowährung ausruft – Loftwohnung, Kreuzfahrt, Sportwagen ließen sich damit locker finanzieren. Die nunmehr offizielle Pleite der einstmals wichtigsten Bitcoinbörse Mt. Gox war vielen Anlass genug, kräftig ins Horn zu blasen und die nahe Kryptokalypse zu beschwören. Mit Carl-Ludwig Thiele meldete sich sogar ein Bundesbank-Vorstandsmitglied zu Wort: Bitcoin sei in eine schwere Vertrauenkrise geraten, die Zukunft des Kryptogeldes stehe in Zweifel.

Das ist bemerkenswert: Ein Bundesbanker nimmt zu einem insolventen Tokioter Dienstleister für eine Nischenwährung Stellung – das müsste für ihn doch eigentlich nur ein umgefallener Sack Reis in Japan sein. Immerhin: Schrieben wir das Jahr 2012, als Mt. Gox noch rund 80 Prozent aller Bitcointrades auf sich vereinte, hätte Thiele mit seiner Prognose wahrscheinlich richtig gelegen.

Anfang 2014 war Mt. Gox aber nur noch ein Handelsplatz unter mehreren. Und der aktuelle Bitcoin-Kurs zeigt steil nach oben, das spricht eher für Erleichterung über das Ende als für eine Vertrauenskrise. Eine dilettantisch geführte Börse, die ihre Kunden derart verprellt und angeblich unbemerkt sage und schreibe 850.000 Bitcoins verliert, ist selbst kein Verlust.

Bitcoin, die digitale Währung

Die virtuelle Währung Bitcoin auf dem Weg ins reale Leben: An speziellen Börsen kann man Bitcoins kaufen und verkaufen, diverse Online-Händler und Läden akzeptieren Bitcoins als Zahlungsmittel, erste Bitcoin-Geldautomaten werden aufgestellt.

Doch das Bitcoin-System selbst? Ist keineswegs am Ende, sondern eigentlich noch am Anfang. "Bitcoin ist fünf Jahre alt und die Milchzähne sind gerade rausgefallen“, bringt es Oliver Flaskämper, der Chef des Marktplatzes Bitcoin.de, lakonisch auf den Punkt. Und auch Jon Matonis, Vorsitzender der US-amerikanischen Bitcoin-Foundation, spricht klar von einer Beta. Nicht umsonst liegt der Standardclient für das potenzielle Geld 2.0 erst in Version 0.86 vor. Bis das System seiner zahlreichen Kinderkrankheiten entwachsen und auch für Max Mustermann geeignet ist, muss noch Zeit ins Land gehen.

Vielmehr ist es doch erstaunlich, wie sich Bitcoin von der Idee einiger Kryptodenker zum großen Projekt entwickelt hat, das von einer globalen Community mit Enthusiasmus, Kreativität und langsam steigender Professionalität getragen wird. Bitcoin-Automaten werden aufgestellt, ständig alternative Kryptowährungen an den Start gebracht, Bitcoin-Zahlungsdienstleister gewinnen immer mehr Kunden und eine wachsende Zahl an Händlern experimentiert mit der Akzeptanz der digitalen Münze – Stichworte in Deutschland etwa Lieferservice.de und Parfümerie.de. Die Dynamik ist offenbar so groß, dass selbst Bundesbanker und ihre Kollegen in anderen Staaten sich äußern, davor warnen und über Regulationen nachdenken.

Wie die Zukunft der Kryptowährungen aussieht, mag mir meine Glaskugel heute nicht verraten. Vielleicht spricht Angela Merkel bald dem Bitcoin ihr vollstes Vertrauen aus? Vielleicht warnt uns auch in zehn Jahren die Bundesdogecoin-Bank davor, dass der hochspekulative US-Dollar mit der Pleite von Goldmann-Sachs nun endgültig in eine Krise geraten ist? Einstweilen rate ich: Probieren Sie die Kryptowährungen ruhig mal aus. Aber stecken Sie nur soviel in das Beta-Geld, wie sie ohne Bauchschmerzen verlieren können. Das spart Vertrauenskrisen. (axk)