Kommentar zum NSA-Skandal: Die technologische Souveränität zurückgewinnen
Edward Snowden hat jedem gezeigt, welche Möglichkeiten der Überwachung existieren und eingesetzt werden. Nun sind wir gefordert, zu handeln, schreibt Dorothee Bär, CSU-Bundestagsabgeordnete und Staatssekretärin im Infrastrukturministerium.
Edward Snowdens Enthüllungen haben uns und die Welt verändert. Das ist keine Frage mehr. Nur: Welche Konsequenzen ergeben sich nun für uns? Für uns als Politikerinnen und Politiker, für uns als Unternehmerinnen und Unternehmer, für uns als Nutzerinnen und Nutzer – für uns als digitale Gesellschaft?
Was zuvor vor allem unter Experten bekannt war, nämlich die technischen Möglichkeiten der Kommunikationsüberwachung und der Auswertung von Daten, wurde im vergangenen Jahr der breiten Öffentlichkeit offenbart. Die Ahnungen der Fachleute wurden zur Gewissheit des praktizierten staatlichen Handelns. Mit dem NSA-Skandal wurde die Debatte um die Privatsphäre im Internet und die Realisierung des technisch Machbaren bis in die Mitte der Gesellschaft getragen und zum ersten Mal befassten sich Bürgerinnen und Bürger mit dem Thema Datenschutz und den Fragen nach Verschlüsselungstechniken.
Snowdens Enthüllungen haben nicht nur Gewissheit gebracht wo vorher nur vermutet wurde, sie haben auch Unsicherheit geschaffen, wo man sich vorher relativ sicher fühlte. Aus Selbstverständlichkeit wurde Fahrlässigkeit, aus Komfort wurde Unwohlsein und aus Vertrauen in die Technik – ohnehin eine zarte Pflanze in unserer hiesigen Gesellschaft – wurde Misstrauen und bisweilen Fatalismus: "Was kann ich schon tun, die NSA weiß doch ohnehin schon alles".
Die Aufgabe, die nun vor uns steht, ist es, aus diesem Perspektiven- keinen Paradigmenwechsel entstehen zu lassen. Die Angst vor der Technologie ist keine Lösung und der Rückzug aus den digitalen Kommunikationsstrukturen ist nicht nur falsch, sondern schlichtweg nicht mehr möglich. Die Geister, die wir riefen, dürfen wir nicht versuchen, loszuwerden, sondern müssen ihnen ihr menschliches Gesicht wieder zurück geben,
Konkret stellt sich dabei zum Beispiel die Frage, ob die Menschen überhaupt in der Lage sind, sich und ihre Daten ausreichend zu schützen? Zweifel sind hier durchaus angebracht. Das liegt unter anderem daran, dass Kryptographie, sinnvolle und notwendige Verschlüsselungstechniken, für viele Nutzerinnen und Nutzer zu kompliziert sind. Hier sind sowohl Diensteanbieter als auch der Staat als Gesetzgeber gefordert: Die Privatsphäre muss zu einem von der Gesellschaft definierten Grad einfach und unkompliziert geschützt werden können.
Eine wichtige Konsequenz der vergangenen Monate muss die Rückgewinnung der technologischen Souveränität sein. Die Entwicklung vertrauenswürdiger IT- und Netz-Infrastrukturen sowie die Entwicklung sicherer Soft- und Hardware in Europa sind ebenso notwendig, wie die Förderung sicherer Cloud-Technologien. Der Datenschutz muss auf europäischer Ebene vereinheitlicht, gestärkt und durchgesetzt werden. Das klingt inzwischen wie eine Binsenweisheit, wartet aber noch immer auf konkrete Umsetzung uns kann daher als Auftrag nur wiederholt werden.
Snowdens Enthüllungen haben verdeutlicht, welche Rollen wir bei der Gestaltung unserer digitalen Gesellschaft einnehmen müssen. Der Politik obliegt dabei die Schaffung sicherer Rahmenbedingungen. Uns muss klar sein, dass nicht alles erlaubt sein darf, was technisch möglich ist. Und unser Auftrag ist auch, den Menschen das nötige Wissen an die Hand zu geben, das sie für ihre Datensouveränität benötigen.
Von den Unternehmen fordern wir Transparenz und nehmen sie in die Verantwortung, wenn es um den (Daten-)Schutz ihrer Nutzerinnen und Nutzer geht. Diensteanbieter haben so etwas wie eine Daten-Verantwortung
Die Snowden-Enthüllungen haben bewirkt, dass wir in Deutschland und Europa endlich einen starken Fokus auf die Nutzerseite richten. Hoffen wir, dass wir das vergangene Jahr schon einst als reinigendes Gewitter betrachten können und aus empfundener Ohnmacht die Sicherheit der digitalen und damit gesellschaftlichen Souveränität erwächst.
Zu den Folgen des NSA-Skandals veröffentlicht heise online anlässlich des Jahrestags der ersten Snowden-Enthüllung mehrere Kommentare:
- Peter Schaar: Im NSA-Skandal ist ein langer Atem gefragt!
- Erich Moechel: Es ist Zeit, die Netze zurückzuerobern
- Christoph Wegener: Ein Jahr NSA-Skandal und noch viel zu tun
(mho)