Kompost für Gourmets
Essensabfälle auf den Kompost oder in die Biogasanlage? Viel zu schade, dachten sich ein paar Forscher. Nun machen sie aus Fischresten, Obst oder Kaffeesatz neue Produkte für den Lebensmittelmarkt. Wie schmeckt das?
- Veronika Szentpetery-Kessler
Geschätzte 13 Millionen Tonnen Reststoffe aus der Lebensmittelverarbeitung werden verfeuert, zu Biogas vergoren, verfüttert oder kompostiert. Vieles wäre noch verwertbar, lässt sich aber im Supermarkt nicht verkaufen. Doch eine umfassendere Essensverwertung muss nicht unappetitlich sein, schreibt Technology Review in seiner neuen Ausgabe (ab sofort am Kiosk und im Heise-Shop erhältlich). Mehr und mehr Forscher und Entwickler widmen sich dem Nahrungsrecycling und entwickeln neue Verfahren, mit denen sich tierische und pflanzliche Abfälle vollständig zu gesunden Produkten verwerten lassen.
Weil die Menschen zum Beispiel weltweit jedes Jahr 2,5 Milliarden Tonnen Kaffee konsumieren, ist die sogenannte Kaffeekirsche in den Blick der Nahrungsrecycler geraten. Sie umgibt die Kaffeebohne als rote Frucht und verrottete bislang auf riesigen Halden in den Anbauländern in Südamerika und Afrika. Der Geruch verpestet oft die Luft, die Rückstände lassen Seen und Flüsse versauern. „Das ist ein großes Umweltproblem“, berichtet Andy Fedak, Manager des US-Unternehmens Coffee Flour. Dort wird der schalenartige Rest nun binnen drei bis vier Stunden gefriergetrocknet, damit er nicht verdirbt. Dann mahlen ihn Mitarbeiter zu einem hellbraunen Pulver mit dem Geschmack von gerösteten Pflaumen oder Rosinen.
Das „Kaffeemehl“, wie die Amerikaner es nennen, landet mittlerweile in Brot, Gebäck, Pasta und Soßen und dient als Gewürz für Hähnchenbrust, Rindersteak und Meeresfrüchte. „Das Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft“, sagt Fedak. Indischen Gerichten gäbe das Mehl neuerdings eine fruchtige Note. 5000 Tonnen Kaffeemehl von Plantagen aus Guatemala, Mexiko, Vietnam und Nicaragua werde man in diesem Jahr ausliefern, versichert das Unternehmen. Nächstes Jahr soll es zwei- bis dreimal so viel sein.
Allerdings ist Coffee Flour immer noch in der Vorverkaufsphase. Einer der Gründe: Noch bemüht sich der Produzent, dass die US-Gesundheitsbehörde FDA sein Mehl „generell als unbedenklich“ einstuft. Doch sicher ist das nicht. Denn das Mehl enthält geringe Mengen Koffein. Kleinkinder und Säuglinge könnten mit Herzrasen auf den Muntermacher reagieren. Coffee Flours Kunden setzen den Lebensmitteln deshalb bisher nur geringe Mengen des Produkts zu, bei Backwaren beispielsweise zehn bis fünfzehn Prozent des Mehls. „Bisher gab es keine Probleme“, beteuert Fedak. „Die Produkte enthalten nur einenBruchteil der Koffeinmenge einer Tasse Kaffee.“
Mehr zum Thema in der aktuellen Ausgabe von Technology Review (im Heise-Shop erhältlich):
(vsz)