Konferenz Future Security: Mit Sicherheit mehr Software

Die vierte zentrale deutsche Konferenz für Sicherheitsforschung beschäftigte sich mit intelligenten Systemen, die aus anfallenden Überwachungsdaten sicherheitsrelevante Vorfälle extrahieren können.

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Von
  • Detlef Borchers

Mit deutlich weniger Besuchern als in den Vorjahren ist in Karlsruhe die vierte Ausgabe der Konferenz für Sicherheitsforschung Future Security zu Ende gegangen. Vor allem internationale Besucher blieben aus, obwohl die Tagung erstmals durchweg in Englisch gehalten wurde. Die gleichzeitig stattfindende europäische Sicherheitskonferenz in Stockholm war offenbar für viele Forscher die attraktivere Veranstaltung.

Wolf-Dieter Lukas, Abteilungsleiter beim Bundesministerium für Bildung und Forschung, hatte zur Eröffnung ein neues Sicherheitsforschungsprojekt namens NETWASS angekündigt, das zunächst mit 1,1 Millionen Euro ausgestattet wird. Das Akronym steht für "Entwicklung und Evaluation sozialer und professioneller Netzwerke und Frühwarnsysteme zur Prävention von School Shootings und anderen zielgerichteten Gewalttaten an deutschen Schulen". Dabei sollen so genannte Leakings untersucht werden, also die Eigenart, dass ein Täter seine Tatfantasien vorab "durchscheinen" lässt und damit vorbeugende Eingriffe möglich sind. Ein deutschlandweites Leaking-Telefon könnte vielleicht helfen, die Bedrohung schneller zu erkennen.

Als ergiebig erwiesen sich Konferenzbeiträge, die das im vorigen Jahr präsentierte NEST (PDF-Datei) weiterdachten. NEST steht für "Network Enabled Surveillance and Tracking", das bei der Bundeswehr erfolgreich im Feldlager- und Marschkolonnenschutz eingesetzt wird. Dabei geht es um maschinengestützte Auswertungen von Videodaten durch Filter und Informationsverdichter, die dem "Aufmerksamkeitseinbruch" menschlicher Beobachter entgegensteuern. Damit NEST auch im zivilen Bereich funktionieren kann, plädierte Hauke Vagts vom Fraunhofer IITB für einen Dialog der Techniker mit Anwälten, Soziologen und Nutzern, die automatische "Privacy Manager" entwickeln könnten.

Auf Basis der Behaviour Engine von Erudine zeigten Sascha Goldner und Philipp Rech von EADS, wie Flughafensicherheit oder die Grenzkontrolle an Europas Außengrenzen durch lernende Software-Systeme verbessert werden könnte. Solche Systeme sollen die wichtigen Informationen herausfiltern, die zur unmittelbaren Reaktion auf erkannte Bedrohungen führen. Diese Informationen laufen dann zum Sicherheitspersonal zurück, beispielsweise über leistungsfähige Smartphones projiziert auf eine iStar-Brille. In Karlsruhe konnte diese Brille, die mit dem Knopf im Ohr der Sicherheitskräfte korrespondiert, nur auf einem Poster gezeigt werden. Zum nächsten Sicherheitskongress soll der Prototyp fertiggestellt sein.

Mehrfach wurde in Karlsruhe die Fusion der Militärforschungsinstitute der FGAN in die Fraunhofer-Gesellschaft gelobt. Ministerialrat Rainer Krung vom Verteidigungsministerium betonte, dass der Grundsatz des Militärs, "Information schafft Überlegenheit", auch der Anstoß für zivile Projekte sein könne. Eine kleine Gruppe Demonstranten vor dem Kongresszentrum forderte hingegen von den neuen Fraunhofer-Instituten eine "Zivilklausel" mit dem Verzicht auf militärische Forschung (PDF-Datei). Sie argumentierten gestützt auf verschiedene Meldungen, dass die Forscher besser beim kommenden Digitalfunk der Behörden statt der TETRA Enhanced Data Services lieber einen eigenen Standard für deutsche Feuerwehren entwickeln sollen.

Obwohl beispielsweise zur Bundestagswahl das Münchener Oktoberfest als bedroht galt, sinkt offenbar im Zeichen der Wirtschaftskrise die Bereitschaft, in kostspieleige Sicherheitsforschung zu investieren. Vereinzelt gelingt es den Forschern, neue Perspektiven zu entwickeln. Hier wäre das Projekt VESPER aus Wismar zu nennen, die "Verbesserung der Sicherheit in der Personenschifffahrt und im Fährverkehr". Es sollte zum Start die Sicherheit auf Fährschiffen in der Ostsee untersuchen. Mittlerweile wird die interaktive Schulung von Schiffsbesatzungen auch für Schiffe angeboten, die auf ihren Routen etwa vor Somalia und von der zunehmenden Piraterie bedroht sind. (anw)