Konkurrenz für die Genschere: "Bridge RNA" soll Genom genauer editieren

CRISPR ist inzwischen zu einer zentralen Methode für die Genomveränderung geworden. Forscher schlagen nun einen potenziell noch besseren Ansatz vor.

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DNA-Marker auf von unten beleuchteter Folie; eine Hand zeigt mit einem Bleistift auf eine Markierung

DNA-Marker auf von unten beleuchteter Folie.

(Bild: gopixa/Shutterstock.com)

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Eine Gruppe von Forschern um Patrick Hsu vom Arc Institute im kalifornischen Palo Alto hat eine neue Methode gezeigt, mit der das menschliche Genom schneller und vor allem sicherer editiert werden könnte. Die Technik, die zusammen mit Wissenschaftlern an der University of California in Berkeley entwickelt wurde, nennt sich "Bridge RNA". Sie konkurriert mit der Genschere CRISPR und wurde bislang an Bakterien getestet. Die Grundidee dabei ist, zwei DNA-Stücke miteinander zu verbinden, indem eine genetische Brücke zwischen ihnen entsteht.

Das Verfahren nutzt sogenannte Transposons, die man auch "springende Gene" nennt. Diesen gelingt schon auf natürliche Weise eine Art Cut & Paste: Sie schneiden sich selbsttätig aus dem Genom aus und fügen sich an anderer Stelle wieder ein. Hsu und Team nutzen dabei das in Bakterien vorkommende IS110-Transposon, das eine Brücke aus RNA bildet, die sich manipulieren lässt. So lassen sich sowohl der Bereich im Genom, in dem die gewünschte DNA eingebaut werden soll, als auch das gewünschte DNA-Stück selbst festlegen. Zudem wird der DNA-Strang danach wieder rückstandsfrei verschlossen, es kommt also im Gegensatz zu CRISPR nicht zu freien DNA-Fragmenten, die Schaden anrichten können. "Wir sind begeistert von den Möglichkeiten, viel umfassendere genomische Veränderungen zu bewirken, als wir es derzeit mit CRISPR können", so Hsu gegenüber dem NewScientist. Es handele sich um einen "wichtigen Schritt in Richtung einer umfassenden Vision des Genomdesigns".

Die zwei Studien von Hsu & Co. sind im Journal Nature erschienen. Die eine beschäftigt sich mit den grundsätzlichen Möglichkeiten einer Bridge-RNA-gelenkten Rekombination, die andere mit der "programmierten Einfügung" gewünschter DNA-Abschnitte. Parallel dazu erschien ein Paper von Connor J. Tou und Benjamin P. Kleinstiver vom Massachusetts General Hospital, das sich mit RNA-gelenkten Enzymen für eine "Genomeditierung der nächsten Generation" auseinandersetzt. Bridge RNA könnte, so hoffen es zumindest Hsu und Kollegen, DNA-Sequenzen fast jeder Länge ergänzen, löschen oder verändern. Die Genschere CRISPR ist, zumindest bislang, noch ungenauer. Hinzu kommt, dass Bridge RNA ohne sogenannte Narben im Genom auskommt – die besagten DNA-Extrastücke, die man bei CRISPR eigentlich nicht haben will, aber mit ihnen leben muss.

Gegenüber dem Science Media Center Germany kommentierte Holger Puchta, Professor für Molekularbiologie und Biochemie der Pflanzen am Karlsruher KIT, es handele sich zunächst einmal um Grundlagenforschung. "Ein neuer Mechanismus wurde aufgeklärt, wie ein Transposon Sequenz-spezifisch an bestimmte Stellen ins Bakteriengenom integrieren kann. Das Neue ist die Entdeckung, dass [das Enzym] Transposase eine Bridge RNA benutzt, die sowohl Sequenzhomologien zu der einzufügenden Sequenz als auch zum Targetlokus aufweist." Da man die Bridge RNA nach Belieben sowohl in den Bereichen für die Target- als auch für die Insert-Erkennung verändert könne, habe man so ein neues programmierbares Werkzeug geschaffen, "jede beliebige DNA an jede beliebige Stelle ins Genom" zu integrieren.

"Wir brauchen dringend für Anwendungen bei menschlichen Zellen aber auch bei Kulturpflanzen eine effiziente Technik, längere Sequenzen im Bereich von Genen an bestimmte Stellen ins Genom einzubauen. Das jetzt gefunden Prinzip könnte tatsächlich eine neuartige Lösung dieses langen ungelösten Problems ermöglichen", so Puchta weiter. Er sieht allerdings noch Hürden bei der Übertragung des Prinzips vom Bakterium auf den Menschen. So konnten bisher trotz vielfältiger Versuche Insertionen mit bakteriellen Transposons, die auf dem CRISPR Prinzip beruhen, noch nicht effizient in Säugetier-Zellen etabliert werden, sagt er. Ein weiteres Problem sei, dass die Länge der Erkennungssequenz in der Bridge RNA – sie beträgt 11 bis 15 Basenpaare – für den Targetlokus im Genom nicht lang genug sei, "um das System außerhalb von Bakterien" zu nutzen. Hsu und Co. suchen derzeit nach Möglichkeiten, dies zu ändern. Hauptproblem: Das menschliche Genom ist deutlich größer als das von Bakterien. Bridge RNA müsste daher auch größere Erkennungsbereiche haben.

(bsc)