Kontroverse Diskussion um geplante Änderung der Zoll-Befugnisse

Die von der Bundesregierung geplante Änderung der Ermittlungsbefugnisse des Zolls ist laut Oppositionspolitikern in Teilen weiter verfassungswidrig.

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Die von der Bundesregierung geplante Änderung der Ermittlungsbefugnisse des Zolls verschlechtert laut Oppositionspolitikern den Grundrechtsschutz und ist weiter teilweise verfassungswidrig. Dies machten Vertreter der FDP, der Linken und der Grünen am Donnerstagabend bei der 1. Lesung des Entwurfs zur Neugestaltung des umstrittenen Zollfahndungsdienstgesetzes im Bundestag im Rahmen einer lebhaften Debatte deutlich. "Sie wollen jetzt nicht nur den großen Lauschangriff einführen, sondern auch den großen Guckangriff", empörte sich Hans-Christian Ströbele, stellvertretender Vorsitzender der grünen Fraktion, in Richtung große Koalition. "In Zukunft soll es möglich sein, heimlich nicht nur abzuhören, sondern auch in Wohnungen, in Geschäftsräume, in Büros und so weiter zu sehen, das aufzunehmen und festzuhalten. Das ist ein riesiger Schritt. Dazu hat sich das Bundesverfassungsgericht noch gar nicht verhalten können, weil es so etwas in anderen Bereichen bisher noch gar nicht gibt."

Ströbele zielt damit auf die geplanten Vollmachten für das Zollkriminalamt und von ihm beauftragte Personen an. Den Plänen zufolge, dürfte das Zollkriminalamt im Rahmen der "Eigensicherung" seiner verdeckten Tätigkeiten zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten sowie zur Aufdeckung noch unbekannter Verbrechen mit richterlicher Genehmigung "technische Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und -aufzeichungen sowie zum Abhören und Aufzeichnen von Privatgesprächen" einsetzen. Zeitliche oder räumliche Einschränkungen dieses Lausch- und Guckrechts der Zollfahnder sieht der Entwurf nicht vor. Es ist allein davon die Rede, dass es etwa um die Abwehr einer erheblichen, lebensbedrohlichen Lebensgefahr gehen muss.

Die Grünen hatten einer ersten Reform des Gesetzes noch ohne grundlegend verbesserten Bürgerrechtsschutz im Jahr 2004 trotz Bauchgrimmens zugestimmt, "um keine Schutzlücke entstehen zu lassen", wie Ströbele betonte. Zudem seien zumindest die Datenerhebungs- und Übermittlungsbefugnisse nach dem Einschreiten des Bundesverfassungsgerichts etwas enger und klarer gefasst worden. Die datenschutzrechtlichen Regelungen, die Schwarz-Rot nun aber vorsehe, würden "durch eine massive Ausweitung der Überwachung der Bürger, beziehungsweise der Möglichkeiten dazu, eigentlich völlig aufgehoben." Zudem fehle nach wie vor das angeforderte Zahlenmaterial über den Einsatz der Befugnisse auf Basis der jüngsten, Ende 2005 mit den Stimmen der großen Koalition verlängerten Fassung des Gesetzes.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Rechtspolitikerin der FDP, bezeichnete die bisherige Bilanz zu diesem Gesetzgebungsvorhaben als "eine eher traurige". Konkret kritisierte sie, dass mit dem Entwurf nun "Initiativermittlungen ohne Anfangsverdacht" gewollt seien. Es werde nicht einmal erwähnt, dass zumindest "abstrakte Anhaltspunkte dafür vorliegen müssen, dass es sich überhaupt um ein entsprechendes Verhalten, um einen entsprechenden Tatbestand handelt." Mit Ströbele ging die ehemalige Bundesjustizministerin konform, dass beim Schutz von Berufsgeheimnisträgern vor Abhörmaßnahmen mehr zu tun sei. Beiden erschien nicht einsichtig, warum etwa Verteidiger geschützt sein sollen, aber Rechtsanwälte weniger und Journalisten noch weniger.

"In meinen Augen entspricht diese Regelung mit dieser Begründung und dieser Aufteilung nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts", betonte Leutheusser-Scharrenberger. Auch die geplante Form der Erfassung von Telekommunikationsinhalten berücksichtige die Karlsruher Vorgaben zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung nicht ausreichend. Nur in Ausnahmefällen, wenn konkrete Anhaltspunkte wirklich einen Bezug auf die unmittelbar bevorstehende Begehung einer Straftat nahelegen, sei beim Verdacht auf derartig tiefe Grundrechtseingriffe ein Abhören noch zulässig.

Keinen Beifall spenden wollte auch Wolfgang Neškovic von der Linken. "Seit April 2005 lebten die Menschen dieses Landes unter einem undichten Staatsdach", heißt es in seiner zu Protokoll gegebenen Rede. Die Koalition habe es seit dem Beginn dieser Wahlperiode nicht vermocht, das Zollfahndungsdienstgesetz verfassungsdicht zu bekommen. Man wisse daher nicht, "ob man Tränen lachen oder weinen soll, wenn man den Bearbeitungsvermerk zum Entwurf der Bundesregierung liest: 'Besonders eilbedürftig' lautet der Hinweis für die parlamentarische Befassung."

Karl Diller, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, verwies noch einmal "auf die Bedeutung des Gesetzes". Ohne fristgerechte Anschlussregelung entfiele die Befugnis des Zollkriminalamtes zur präventiven Telekommunikations- und Postüberwachung im Außenwirtschaftsbereich. Der SPD-Politiker machte auf zahlreiche Verbesserungen aus datenschutzrechtlicher Sicht aufmerksam. Es gehe darum, das von der Bundesregierung erarbeitete "Gesamtkonzept" zur Neufassung der Tk-Überwachung in einem ersten Schritt umzusetzen. Mit der Gesetzesnovelle werde "ein verfassungsrechtlicher Schwebezustand beendet", warb auch Siegfried Kauder von der CDU für den Entwurf. Eine Regelungslücke sei angesichts der Gefahren, die durch die mögliche Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und des Exports von Rüstungsgütern in Kriegs- und Krisengebiete drohten, nicht zu akzeptieren.

Dee Zoll darf auf Anordnung seit 1992 Postsendungen öffnen und Telefongespräche abhören. Damit soll er Verstöße gegen das Außenwirtschafts- und das Kriegswaffenkontrollgesetz in Bereichen wie Staatsschutz, Betäubungsmittelkriminalität, Geldfälschung, Geldwäsche, Terrorismusbekämpfung oder den unerlaubten Außenhandel mit Waren, Datenverarbeitungsprogrammen und Technologien besser verfolgen können. Gegen die aktuelle Fassung des Fahndungsgesetzes läuft seit Anfang 2006 eine erneute Verfassungsbeschwerde. Der Rechtsausschuss will sich nun im April vor dem erneuten Auslaufen der befristeten Regelungen Mitte des Jahres im Rahmen einer Expertenanhörung mit dem Thema befassen. (Stefan Krempl)/ (dz)