Kopfjäger am Apparat

Trotz Hightech-Krise haben Headhunter noch immer Konjunktur: Ob ein "Kopfjäger" sein potenzielles Ziel allerdings direkt am Arbeitsplatz anrufen darf, ist juristisch noch immer nicht eindeutig geklärt.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Sophia-Caroline Kosel
  • dpa

Nach einem einzigen Telefonat hätte jeder Mitarbeiter des Internet-Kaufhauses Primus-Online um 25.000 Mark reicher sein können.

Die Voraussetzungen dafür: Am anderen Ende der Leitung hätte ein "Headhunter" sein müssen, mit dem Ziel, den Mitarbeiter der Metro-Tochter im Auftrag eines anderen Unternehmens abzuwerben. Und der Umworbene hätte die Nummer seines Gesprächspartners vom Display abschreiben und an die Chefetage weitergeben müssen, damit die von Personal-Abwerbe-Versuchen geplagte E-Commerce-Firma den Kopfjäger zum Fall der Rechtsabteilung und damit selbst zum Gejagten macht.

Auslöser für diese rigorose Methode, die mit der Entspannung am New-Economy-Arbeitsmarkt hinfällig wurde und deshalb nur ein Plan blieb, war ein Urteil des Stuttgarter Oberlandesgerichts (OLG) vom Dezember 1999. "Der Versuch der telefonischen Abwerbung von Arbeitnehmern am Arbeitsplatz ist wettbewerbswidrig, weil dabei die Funktionsabläufe des Betriebs gestört werden", begründeten die Richter (Aktenzeichen 2 U 133/99.). Ein Headhunter hatte die Nummer der Telefonzentrale des Software-Anbieters Bechtle gewählt und vorgetäuscht, er brauche einen kompetenten Ansprechpartner für den Vertrieb von Netzwerken. Diesen verwickelte er dann in ein Abwerbungsgespräch.

Die Berufung des betroffenen Personalberaters gegen das Stuttgarter Urteil schmetterte der Bundesgerichtshof (BGH) ab (Aktenzeichen I ZR 22/00). Headhunter-Anrufe am Arbeitsplatz seien damit generell verboten, berichteten Medien daraufhin – fälschlicherweise. "Das Urteil ist kein Gesetz, sondern nur für den Einzelfall bindend", erklärt eine BGH-Sprecherin. Es sei allerdings davon auszugehen, dass der BGH künftig in ähnlichen Fällen ähnlich entscheiden wird, fügt der Sprecher des Stuttgarter OLG, Martin Würthwein, hinzu. Aber: Wenn der Personalberater nicht erst die Telefonzentrale anruft, sondern direkt die Nummer seines Wunschkandidaten wählt, müssten die Richter eine neue Entscheidung treffen.

"Es gibt eine ganze Reihe unterschiedlicher Einzelfallurteile. Das führt zur Verwirrung", berichtet der Sprecher des Bundesverbandes deutscher Unternehmensberater (BDU), Klaus Reiners. Das OLG Frankfurt und das Landgericht Mannheim hätten in zwei verhandelten Fällen Anrufe am Arbeitsplatz erlaubt. "Es wäre wünschenswert, wenn der Bundesgerichtshof sich mit der Fragestellung befassen würde", sagt Reiners. Es dürfe nicht sein, dass eine ganze Berufsgruppe in der Ausübung ihrer Tätigkeit eingeschränkt wird. Die Stuttgarter Richter sehen das anders: "Die Berufsfreiheit des Headhunters wird durch das Verbot der Direktansprache am Arbeitsplatz nicht in unzumutbarer Weise berührt", heißt es im Urteil.

Nach BDU-Schätzung werden die etwa 6.400 Personalberater in Deutschland in diesem Jahr Honorare in Höhe von 2,5 Milliarden Mark einnehmen. Auf der Suche nach Wunschkandidaten sind die umstrittenen Telefonate nur ein Mittel. Führungskräfte und Fachleute werden auch per Anzeigen oder im Internet gesucht oder auf Kongressen und Seminaren angesprochen. "Die Anrufe am Arbeitsplatz müssen dennoch weiterhin ein Instrument der Kontaktaufnahme bleiben", fordert der BDU-Sprecher. Klar sei natürlich, dass der Headhunter nicht stundenlang die Telefonleitung blockieren dürfe.

"Der Angerufene hat immer die Wahl, zu sagen, dass er nicht gestört werden möchte", meint der Geschäftsführer des Personalberaters TMP Worldwide Executive Search, Henning Witt. Seine Firma wisse, dass jemand, der sich vom Telefonat belästigt fühlt, auf Unterlassung klagen kann. Verständnis dafür hat Witt kaum: "Einerseits klagen Unternehmen auf Unterlassung, andererseits arbeiten sie selbst mit Headhuntern zusammen."

Viele Firmen ärgern sich indes nach wie vor über die Belästigung durch Headhunter. "Hier arbeiten qualifizierte Fachkräfte, wir stehen immer im Rampenlicht", berichtet der Vice President eines Kölner Software-Hauses. Die Personalberater dächten sich immer neue Tricks aus. "Sie stellen sich am Telefon als Arzt eines Mitarbeiters vor oder verkleiden sich als Fensterputzer." Die Mitarbeiter am Empfang und die Assistentinnen, meist erste Ansprechpartner für die Headhunter, seien zwar "sensibilisiert". Aber: "Es gibt keinen hundertprozentigen Schutzmechanismus", sagt der Vice President. Immerhin gibt es aber ein Mittel, um die Absicht der Anrufer zu vereiteln: "Der beste Schutz ist ein gutes Unternehmensklima. Warum soll der Mitarbeiter dann wechseln?" (Sophia-Caroline Kosel, dpa) / ()