Kritik am Biometriepass: "Zu früh, zu teuer und zu unsicher"

Den Datenschutzbeauftragten geht die Einführung von ePässen zu schnell, die SPD-Bundestagsabgeordnete sieht Schily am Parlament vorbei handeln, während der Bitkom die Einführung der neuen Ausweise zum 1. November als Innovation begrüßt.

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Am 1. November beginnt in Deutschland die Einführung von Pässen mit auf RFID-Chips gespeicherten biometrischen Merkmalen. Aus Anlass der heutigen Vorstellung biometrischer Reisepässe durch Bundesinnenminister Otto Schily appelliert der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, dass die Pässe erst Mitte 2006 eingeführt werden sollten. Die Zeit solle genutzt werden, "um ein möglichst hohes Maß an Datenschutz und Sicherheit bei den biometriegestützten Pässen zu erreichen". Es gebe bisher noch kein Sicherheitskonzept zum Schutz der in einem Funkchip gespeicherten Daten. Schaar bietet seine Mitarbeit an der Entwicklung dieses Konzepts an.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Ulla Burchardt, die sich zu früheren Gelegenheiten bereits skeptisch zur Einführung biometrischer Pässe geäußert hat, übertitelt ihre Stellungnahme eindeutig: "Zu früh, zu teuer und zu unsicher!" Sollten die neuen Reisepässe tatsächlich wie von Schily angekündigt im November 2005 ausgegeben werden, geschähe dies ohne vorherige Beteiligung des deutschen Gesetzgebers. "Dabei sieht das so genannte Terrorismusbekämpfungsgesetz von 2002 unmissverständlich ein Gesetz des Bundestages vor, in dem das 'ob', 'wann' und 'wie' geregelt werden muss. Dieser deutsche Parlamentsvorbehalt wurde sehenden Auges durch europäische Rechtsetzung ignoriert", schreibt die Abgeordnete. Zudem werde mit dem "ePass" nicht automatisch mehr Sicherheit eingeführt. Weiter bemängelt Burchardt, dass die Gebühr von 59 Euro doppelt so hoch sei wie derzeit.

Es sei nicht angemessen, sich von der US-amerikanischen Regierung beim Thema Biometrie unter Druck setzen zu lassen, schreibt die SPD-Abgeordnete außerdem. Schließlich handle es sich um jene Regierung, "die mit ihrem Patriot Act amerikanischen Ermittlungsbehörden ohne konkrete Verdachtsmomente Zugriff auf persönlichste Daten gewährt und im Zeichen der Terrorabwehr Bürgerrechte massiv einschränkt." Die Interessen aller Bürger in Deutschland müssten Vorrang haben und nicht nur jener, die visafrei in die USA einreisen wollen.

Die Einführung von Biometriepässen wird aber nicht nur skeptisch beäugt. Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) meint, Deutschland nehme damit in Europa eine Führungsrolle ein. "Der neue Reisepass bringt mehr Sicherheit beim Reisen, ermöglicht eine schnellere Abfertigung an den Grenzen und gewährleistet dabei den Schutz persönlicher Daten", sagte Bitkom-Geschäftsführer Peter Broß. Die schnelle Einführung des elektronischen Reisepasses erhöhe die Chance, dass deutsche Sicherheitstechnologie ein Exporterfolg wird.

Der Bitkom schlägt die Gründung einer nationalen Biometrie-Initiative vor, um die Entwicklung moderner Sicherheitstechnologien in Deutschland weiter voranzutreiben, "Die Biometrie-Plattform soll Politiker, Vertreter der Industrie, Wissenschaftler und Anwender an einen Tisch bringen", erläutert Broß. Konzerne und der Mittelstand müssten stärker zusammenarbeiten, um "große Lösungen" erarbeiten zu können und den kommenden Marktanforderungen gerecht zu werden.

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder bemängelt in einer heutigen Entschließung, die Einführung dieser Pässe sei beschlossen worden, ohne dass die Chancen und Risiken der Technik ausreichend diskutiert worden sei. Mit der Ausgabe von elektronisch lesbaren biometrischen Ausweisdokumenten könne erst begonnen werden, wenn die technische Reife, der Datenschutz und die technische und organisatorische Sicherheit gewährleistet sei. "Diese Voraussetzungen sind bisher jedoch noch nicht in ausreichendem Maße gegeben", heißt es in der Entschließung.

Die Einführung biometrischer Merkmale führe nicht automatisch zur Verbesserung der Sicherheit, meinen die Datenschutzbeauftragten weiter. Biometrische Identifikationsverfahren würden immer noch hohe Falscherkennungsraten aufweisen und seien oft mit einfachsten Mitteln zu überwinden. Die Datenschutzbeauftragten fordern eine objektive Bewertung von biometrischen Verfahren und treten dafür ein, die Ergebnisse von Untersuchungen und Pilotprojekten zu veröffentlichen und die Erkenntnisse mit der Wissenschaft und der breiten Öffentlichkeit zu diskutieren.

Der Passchip wird zunächst nur ein digitales Passbild aufnehmen, für das bei der Antragstellung ein frontal aufgenommenes Foto vorgelegt werden muss, hieß es heute zur Vorstellung des neuen Passes. Später soll der Fingerabdruck hinzukommen, und "als drittes Merkmal könnte der Iris-Scan auch noch in den Chip aufgenommen werden". Otto Schily versicherte, es werde keine Speicherung der biometrischen Daten in einer bundesweiten und EU-weiten Zentraldatei geben. Die Grenzkontrollpunkte sollen bis 2008 flächendeckend mit Lesegeräten für den ePass ausgestattet werden.

Siehe dazu in Telepolis: (anw)