Kritik an gekappter DRM-Interoperabilitätsklausel in Frankreich

"Dieses Gesetz will der Privatkopie den Garaus machen und jede Art von privater Nutzung von Werken kontrollieren", kritisierte eine französische Verwertungsgesellschaft den geänderten französischen Gesetzentwurf zum Urheberrecht.

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Von
  • Monika Ermert

In einer Nachtsitzung hatte der französische Senat den seit Langem kontrovers diskutierten Gesetzentwurf für das französische Urheberrechtsgesetz (DAVSI) verabschiedet. Dabei wurde auch die letzte von kritischen Beobachter und Vertretern von Bürger- und Verbrauchergruppen gefeierte Neuerung stark eingeschränkt: Die DRM-Interoperabilitätsklausel. Dies stößt nun auch außerhalb der französischen parlamentarischen Gremien auf einige Kritik.

Nach dem Willen der Abgeordneten der Nationalversammlung sollten die Hersteller von Systemen zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) im Bedarfsfall alle technischen Informationen herausgeben müssen, die für das nahtlose Zusammenspiel verschiedener Systeme und Abspielgeräte erforderlich sind. Gemäß dem vom Senat am vergangenen Mittwoch angenommenen Änderungsantrag müssten sich Interessierte nun an eine neu einzurichtende, mit Vertretern zahlreicher Interessensgruppen besetzte Regulierungsbehörde wenden. Zudem ist in der übrig gebliebenen Klausel nur noch von der Herausgabe technischer Dokumentationen und Programmierschnittstellen die Rede, die erforderlich sind, um eine "geschützte Kopie" eines urheberrechtlich geschützten Werkes zu erhalten. Zuvor ging es um eine "Kopie in einem offenen Standard".

"Wenn die jetzt geplante Kommission bei nicht-interoperablen Geräten ohne Weiteres einschreitet, hätte sich gegenüber der Interoperabiltätsauflage nichts geändert. Wenn sie das aber nicht tut, macht die Einrichtung keinen Sinn", sagte in einer ersten Analyse Sascha Wunsch-Vincent, Experte für den Bereich digitale Inhalte bei der OECD in Paris. Eine endgültige Bewertung des Gesetzentwurfs, der nun als Nächstes von einem paritätisch besetzten Vermittlungsausschuss von Senat und Parlament abschließend behandelt wird, muss aus Sicht des OECD-Experten daher noch warten.

Die Besetzung der "Interoperabilitätskommission" ist aber schon festgelegt: Drei Mitglieder sollen Richter, drei weitere von der Regierung ernannte fachkundige Personen der Zivilgesellschaft sein – was aber nicht näher definiert wird. Allerdings sei nicht klar, auf welchen Anspruch sich die Kommission bei ihrer Arbeit berufen wird, erklärte Wunsch-Vincent. Der Paragraf zur Interoperabilität entfalle ja.

In einem Rückblick auf das für viele Beobachter reichlich verwirrende französische Gesetzesvorhaben bedauerte Wunsch-Vincent allerdings eines: "In den vergangenen 10 Jahren seit der Verabschiedung der WIPO-Verträge, auf die sich die urheberrechtlichen Anpassungen beziehen, hat sich im Bereich digitale Inhalte ungeheuer viel entwickelt. Die Chance, darauf jetzt zu reagieren und ein neu balanciertes Regelwerk für digitale Inhalte zu schaffen, hat man meiner Meinung verstreichen lassen." Die Verpflichtung der Anbieter, die Nutzer eben nicht in "Walled Gardens" einzusperren, wenn sie deren Produkte kaufen, wäre dabei, so die Meinung von Experten, anders als die Kulturflatrate durchaus mit den WIPO-Verträgen vereinbar gewesen.

Wunsch-Vincent glaubt, dass der neue Zugang zum Urheberrecht gescheitert ist, weil er als Frontalattacke unter anderem auf einzelne Firmen, vor allem Apple, missverstanden worden sei. Eine ökonomische Betrachtung, wie sie die OECD auch bei ihrer Konferenz zur Zukunft digitaler Inhalte in Rom Anfang des Jahres in den Vordergrund stellte, lege allerdings den Schluss nahe, dass Interoperabilität sich positiv auf den wachsenden Markt digitaler Inhalte auswirken werde.

Lionel Thoumyre, Jurist bei der Verwertungsgesellschaft Spedidam und Koordinator der Public Performers Alliance, sagte gegenüber heise online: "Dieses Gesetz will der Privatkopie den Garaus machen und jede Art von privater Nutzung von Werken kontrollieren. Verbraucher können das so nicht hinnehmen." Nachdem der Senat nun auch noch die Interoperabilität abgelehnt habe, sei überhaupt nichts mehr positiv an dem Gesetz. Das Gesetz bediene in dieser Form ausschließlich die Interessen der Unternehmen und Produzenten. Das Recht der Künstler sei völlig vergessen worden. Da Thoumyre kaum noch auf Änderungen im Vermittlungsprozess hofft, fordert er mit Blick auf die Interoperabilitätskommission: "Diese Kommission muss sicherstellen, dass jeder Verbraucher gekaufte Musik oder Werke auch wirklich mit jeder von ihm gewählten Software hören oder lesen kann, und dass es ihm erlaubt ist, technische Schutzmaßnahmen, die das verhindern, zu umgehen."

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Monika Ermert) / (jk)