Kuriose Mining-Hardware und Turing Award für Linpack-Entwickler

Die Prozessorhersteller verkaufen Testchips und teildefekte Spielekonsolenchips fürs Schürfen von Kryptowährungen. Moore Threads betritt den Grafikkartenmarkt.

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Nach einigen Verzögerungen hat Intel endlich die ersten Gaming-tauglichen Grafikchips der Serie Arc vorgestellt. Allerdings gibt es zunächst nur vergleichsweise schwache Modelle für Notebooks (siehe S. 54). Mit dem Starttermin 30. März hat Intel gerade so die selbstgewählte Frist für das erste Quartal 2022 eingehalten. Bis Redaktionsschluss waren in Deutschland aber noch keine Notebooks damit lieferbar. Auch auf die leistungsstärkeren Varianten der Serien Arc 5 und 7 sowie auf Grafikkarten für Desktop-PCs heißt es weiter warten. Laut Intel soll es irgendwann im Sommer so weit sein.

Gamer in Russland und Weißrussland werden die Intel-GPUs auf unbestimmte Zeit gar nicht zu Gesicht bekommen, denn der Chiphersteller hat sich dem Vorgehen der meisten westlichen Firmen angeschlossen und wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine sämtliche Geschäftstätigkeiten in Russland und Weißrussland eingestellt. Dazu gehört auch ein Lieferstopp für alle Produkte. Intel arbeitet daran, die Folgen für die 1200 russischen Angestellten abzumildern. Der Lieferstopp betrifft vermutlich auch die fürs dritte Quartal angekündigte zweite Generation der Bitcoin-ASICs Blockscale.

Intel verspricht für die Bitcoin-ICs eine deutlich bessere Effizienz von 25,6 Joule pro Terahash als bei den Protoypen-Vorgängern Bonanza Mine (55 J/Th). Im Unterschied zu diesen läuft Blockscale statt im eigenen 7-Nanometer-Prozess „Intel 4“ bei TSMC in 5-Nanometer-Technik (TSMC 5N) vom Band. Weil die fürs Mining von Kryptowährungen verwendeten Hashing-Schaltkreise sehr einfach aufgebaut sind, eignen sie sich auch gut dafür, neue Fertigungsverfahren zu testen und zu optimieren. So kann Intel Erfahrungen mit den Herstellungsprozessen anderer Auftragsfertiger sammeln und zugleich einen Teil der Kosten wieder reinholen, ohne Verzögerungen oder mangelhafte Ausbeute bei den für Umsatz und Gewinn wichtigen Produkten wie Prozessoren und Grafikchips zu riskieren.

Mitbewerber AMD und der taiwanische Komponentenhersteller Asrock haben einen anderen Dreh gefunden, aus dem Mining-Boom Profit zu schlagen: Für 13.500 Euro bietet Asrock einen 4HE-Rackeinschub an, in dem zwölf Rechenbeschleuniger vom Typ AMD BC-250 mit je 16 GByte GDDR6-RAM stecken. Dahinter verbergen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit teildefekte Kombiprozessoren, die sonst in die Spielekonsole Playstation 5 eingelötet werden. Der gesamte Einschub soll 610 Megahashes pro Sekunde bei der Kryptowährung Ethereum erreichen.

Jack Dongarra kann sich über den Turing Award 2021 freuen, den er für seine Verdienste bei der Entwicklung von Algorithmen für Hochleistungscomputer bekommen hat.

(Bild: Bild: University of Tennessee)

Dass Embargos auch Entwicklungen fördern können, zeigt ein chinesisches Chip-Start-up mit dem doppeldeutigen Namen Moore Threads. Innerhalb von nur anderthalb Jahren nach Gründung will es bereits die Gaming-Grafikkarte MTT S60 mit 2048 Shader-Kernen und 8 GByte LPDDR4X-RAM sowie den Rechenbeschleuniger MTT S2000 mit 4096 Shader-Kernen und 16 GByte Speicher für HPC-Server mit eigenen GPUs zur Produktionsreife gebracht haben.

Weil China wegen diverser Handelsbeschränkungen von Auftragsfertigern wie Intel, Samsung und TSMC abgeschnitten ist, kommt für die Grafikchips nur der chinesische Fertiger SMIC infrage. Das beschränkt die Herstellung allerdings auf einen verbesserten 14-Nanometer-Prozess, während die GPUs der Konkurrenz aktuell bereits mit 6 bis 8 Nanometern vom Band laufen und dadurch wesentlich effizienter rechnen. Die Performance wird auch durch den Mangel an schnellen Speichertypen wie DDR5- oder GDDR6-RAM aus dem Ausland begrenzt. Aus diesem Grund pflanzt das Start-up vergleichsweise langsamen LPDDR4X-Speicher auf die Karten.

Apropos Rechenbeschleuniger für HPC-Server: Die 1947 gegründete Association for Computing Machinery (ACM) hat den renommierten Turing-Award 2021 an den Informatikprofessor Jack Dongarra der University of Tennessee verliehen. Dieser hat unter anderem die Algebra-Bibliotheken Linpack und Lapack mitentwickelt, die heutzutage unter anderem bei Supercomputern zum Einsatz kommen. So erklärt sich, dass Jack Dongarra auch an der Erstellung der halbjährlich veröffentlichten Top500-Serverliste der schnellsten Rechen-Cluster eine wichtige Rolle spielt. Die Geschwindigkeit der Server ermittelt dabei der auch schon von c’t eingesetzte Linpack-Benchmark, der große lineare Gleichungssysteme mittels Matrizen löst.

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(chh)