LNG: Warum Deutschland auf feste Terminals an Land verzichten sollte

In Rekordzeit hat Deutschland 2022 schwimmende LNG-Terminals aus dem Boden gestampft. Landterminals sollen folgen – doch Wirtschaftsforscher raten davon ab.

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Der unter bahamaischer Flagge fahrende Tanker "LNG Fukurokuju" hat am griechischen LNG-Terminal Revithoussa festgemacht.

(Bild: Aerial-motion/Shutterstock.com)

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Erst ging es vielen nicht schnell genug – und jetzt raten Wirtschaftsforscher dazu, auf die Bremse zu treten: Der in mehreren deutschen Orten geplanten Flüssigerdgas-Terminals an Land sind laut Experten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) weder energiewirtschaftlich notwendig noch klimapolitisch sinnvoll. Die Forscher ziehen nach einem Jahr Ukrainekrieg Bilanz, wie es um die Erdgasversorgung in Deutschland steht und geben auch Entwarnung auf den nächsten Winter.

Bei den seit Ende 2022 in Betrieb gegangenen ersten LNG-Terminals in Deutschland handelt es sich ausschließlich um schwimmende Terminals. Zwar mussten an Land Zuleitungen zwischen den Anlegestellen und dem Gas-Fernnetz gebaut werden. Die Regasifizierung des tiefkalten Flüssigerdgases findet aber ausschließlich an Bord von Spezialschiffen statt, den sogenannten Floating Storage and Regasification Units (FSRU). Deutschland hat insgesamt sechs dieser Schiffe gechartert. Das erste kam Mitte Dezember in Wilhelmshaven an. Betrieben werden die Terminals von privaten Energiekonzernen. In Lubmin gibt es außerdem ein LNG-Terminal, bei dem auch die FSRU privat gechartert wurde. Insgesamt komme so eine Gesamtkapazität von jährlich 40 Milliarden Kubikmeter Erdgas zusammen. Dies entspreche etwa der Hälfte des deutschen Erdgasverbrauchs, schreiben die Experten des DIW.

Eigentlich war geplant, die schwimmenden Terminals mittelfristig durch noch zu bauende Anlagen an Land zu ergänzen und später zu ersetzen. Entsprechende Pläne existieren unter anderem für zwei Terminals in Wilhelmshaven und für jeweils eines in Brunsbüttel und in Stade. Doch das DIW zieht in Zweifel, dass diese weiteren rund 40 Milliarden Kubikmeter jährliche Anlandekapazität überhaupt benötigt werden. Die Pläne für die Landanlagen existieren teilweise schon länger, im Falle Wilhelmshavens etwa seit Jahrzehnten, wurden aber nie realisiert, weil sich die Investitionen jeweils nicht lohnten.

Das DIW argumentiert, dass die Landterminals im Gegensatz zu den flexibel anmietbaren FSRUs eine Lebenszeit von mehreren Jahrzehnten hätten und damit deutlich über die Restverweildauer von fossilem Erdgas im deutschen und europäischen Energiesystem hinausgingen. Ähnlich argumentieren Klima- und Umweltschützer, die von vornherein kritisierten, dass die LNG-Terminals den Bezug fossiler Energie für Jahrzehnte festschreiben könnten.

Die Wirtschaftsforscher halten Gas aus Norwegen für preiswerter und weniger umweltschädlich als Flüssigerdgas, das zum Teil per Fracking in den USA gewonnen wird. Auch müsse der absehbare Rückgang des Erdgasverbrauchs in Betracht gezogen werden, wodurch die Landterminals zu "gestrandeten Investitionen" werden könnten. In den kommenden Jahrzehnten müsse Deutschland aus der Verbrennung von Erdgas aussteigen, um Klimaneutralität zu erreichen. Geld sollte deshalb nur in Projekte fließen, die vollständig mit dem Ziel von 100 Prozent erneuerbarer Energie vereinbar sind. Entsprechende Pläne haben auch mehrere Energiekonzerne, die zum Beispiel mithilfe von Photovoltaik oder Windkraft erzeugtes Ammoniak oder grünes Methan importieren wollen, um daraus Wasserstoff zu gewinnen.

Bezogen auf die aktuelle Erdgasversorgung ziehen die Wirtschaftsforscher eine positive Bilanz des bald endenden Winters. Ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hätten sich die Szenarien bestätigt, dass die Energieversorgung in Deutschland auch ohne Erdgas aus Russland gesichert sei. Dazu beigetragen hätten einerseits die neuen Bezugsquellen, andererseits aber auch die reduzierte Gasnachfrage, die im Schnitt um 14 Prozent gesunken ist. Sollte das Gas in den Speichern nicht genügen, seien die vorhandenen LNG-Terminals – auch in den Niederlanden und Belgien – ausreichend, um für Nachschub zu sorgen. Durch seine hohe Zahlungsbereitschaft könnte Deutschland sich auch ausreichend Flüssigerdgas auf dem Weltmarkt sichern. Es sei daher nicht zu erwarten, dass es im kommenden Winter zu einer Mangellage kommen könnte – sofern Haushalte und Industrie weiterhin sparsam bleiben.

(mki)