Länder-Absprache: Bundeswehr könnte Teil des TV-UHF-Bands erobern

Die Weltfunkkonferenz will Fernseh-Funkspektrum für DVB-T2 und drahtlose Mikros erhalten. Die Bundesländer haben womöglich andere Pläne.​

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Soldat in Tarnkleidung nutzt ein Tablet

Symbolbild

(Bild: Superstar / Shutterstock)

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Weniger Funkspektrum für Konzerte und DVB-T2, mehr für die Bundeswehr. Das erwägen die Regierungschefs der deutschen Länder. Ein entsprechendes Dokument liegt gerade im Umlaufverfahren (also ohne persönliche Zusammenkunft) zum Beschluss vor. Sollte es eine Mehrheit finden, stünden die deutschen Länder nicht nur in Widerspruch zum Koalitionsvertrag der Bundesregierung, sondern auch zur Weltfunkkonferenz (WRC). Das international eigentlich entschiedene Tauziehen über die "Kulturfrequenzen" würde in Deutschland weitergehen.

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Die Media Broadcast glaubt nicht, dass die Ministerpräsidentenkonferenz der deutschen Bundesländer solch einen Beschluss fassen wird. "Es ist uns nicht bekannt, dass seitens der Länder irgendeine Initiative oder irgendwelche Aktivitäten hinsichtlich der Mitnutzung des TV-UHF-Bandes durch die Bundeswehr bestehen", sagte ein Sprecher des Unternehmens zu heise online. "Die Weltfunkkonferenz WRC-23 hat sich klar und eindeutig für die primäre Nutzung des UHF-Bandes durch terrestrisches Fernsehen bis mindestens 2031 ausgesprochen. (...) Wir gehen davon aus, dass die Politik sich verlässlich daran hält und allen DVB-T2-Marktbeteiligten Planungssicherheit gibt. Dies gilt auch für den Kultursektor, dessen drahtlose Produktionsmittel das UHF-Band in perfekter Symbiose mit dem Rundfunk nutzen." Media Broadcast betreibt in Deutschland Sendernetze, unter anderem für terrestrischer Fernsehen mit DVB-T2.

Die Weltfunkkonferenz hat im Dezember beschlossen – ganz im Sinne der EUdie Kulturfrequenzen weiter voll dem Rundfunk zur Verfügung stellen zu wollen. Konkret geht es in Deutschland um das TV-UHF-Band (470-694 MHz). Der heise online vorliegende Entwurf eines Ministerpräsidentenkonferenzbeschlusses sieht vor, dass "für die Frequenzbedarfe der Bundeswehr ... ein bedarfsgerechtes Frequenzspektrum von nicht weniger als fünf Funkkanälen (je 8 MHz Bandbreite) dauerhaft zur gemeinsamen koordinierten Nutzung ermöglicht werden soll."

Gemeinsame koordinierte Nutzung heißt, dass auch andere diese Frequenzen unter bestimmten Bedingungen nutzen dürfen. Grundsätzlich strebt auch die EU gemeinsame Nutzungen von Funkfrequenzen an, da es sich um eine knappe Ressource handelt. Das klingt für manche aber besser, als es ist.

Denn das für gemeinsame Nutzung erforderliche Frequenzmanagement ist nicht für alle machbar. Laut dem Nürnberger Hochfrequenzexperten Matthias Fehr benötigen viele täglich und an wechselnden Standorten genutzte Funkwerkzeuge wie Mikrofone und andere Veranstaltungstechnik für Vorbereitung und Umsetzung von Aufführungen eine wechselnde Zahl an zu 100 Prozent nutzbaren und störungsfreien Frequenzen. Diese Notwendigkeit stünde koordinierter Nutzung entgegen.

Der den Länderchefs vorgelegte Entwurf begründet den Wunsch nach mehr Frequenzen für die Bundeswehr damit, dass diese Funkgeräte auf mehr Frequenzen dauerhaft und unbefristet betreiben müsse. Das NATO-Frequenzband (225-400 MHz) lasse "keine weitere Entwicklung zu. Größere Übungen sind damit schon heute nicht mehr möglich, sodass der Bereich im TV-UHF-Band eine erhebliche Entlastung bedeuten würde."

Die Augen geworfen hat das deutsche Militär laut den Unterlagen vor allem auf drei Bereiche: Zwischen 470 und 510 MHz würden mindestens zwei Rundfunkkanäle für besseren Truppen- und Soldatenfunk benötigt. Im mittleren Segment sei mindestens ein Kanal zur Vernetzung von Gefechtsständen erforderlich. Und zwischen 614 und 694 MHz hat es die Bundeswehr noch einmal auf zwei Kanäle "zur Vernetzung von taktischen Einheiten wie Fahrzeugen" abgesehen. Ergänzender Bedarf bestehe lokal auf Truppenübungsplätzen sowie zeitlich befristet bei Manövern. Die Funkgeräte würden 1,4 bis 5 MHz breite Kanäle belegen, dass stets ein Schutzabstand zu benachbarten Kanälen von mindestens 1,5 MHz bleibe.

Laut Weltfunkkonferenz sollen drahtlose Produktionsmittel im Konzert- oder Konferenzbereich "Sekundärnutzer" bleiben; sie sollen laut dem Dezemberbeschluss die Frequenzen mit dem Mobilfunk teilen. Als große Verlierer galten Streitkräfte und Blaulichtdienste. Der Koalitionsvertrag der deutschen Regierungsparteien sieht vor, das UHF-Band dauerhaft für Kultur und Rundfunk zu sichern. Die Bundesregierung wollte trotzdem schon im Vorfeld der WRC der Bundeswehr einen Teil dieses Spektrums freihalten.

Solche Pläne stellten den Eintritt "in die Kriegswirtschaft" dar, kritisiert Jochen Zenthöfer, Sprecher der Initiative SOS – Save Our Spectrum, das Vorhaben. Zwar sei "nur" von fünf Kanälen à 8 MHz die Rede, aber mit Duplexlücken, Schutzabständen und unterschiedlichem Kanalraster verbrauche das in Wahrheit 60 MHz beziehungsweise sieben bis acht Kanäle. "Für das terrestrische Fernsehen ist das eine Katastrophe, für 5G Broadcast das Aus, für viele Festivals der Todesstoß", befürchtet Zenthöfer. "Zahlreiche Veranstaltungen werden in Deutschland nicht mehr stattfinden können."

Dabei sei die Bedarfsanmeldung der Bundeswehr völlig unverständlich, meint der Mann, der selbst in einer Fernmeldekompanie gedient hat. Es gebe im 700-MHz-Band freie Bereiche, die die Bundeswehr und die NATO sofort europäisch harmonisiert nutzen könnten.

(ds)