Landgericht Bonn: Bund muss eigenes Gesundheitsportal abschalten

Das Bonner Landgericht hat entschieden, dass das Portal des Gesundheitsministeriums gesund.bund.de gegen "das Gebot der Staatsferne der Presse" verstößt.

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Startseite des Gesundheitsportals des Gesundheitsministeriums

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(Bild: BMG)

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Das Nationale Gesundheitsportal (NGP) des Bundesgesundheitsministeriums, gesund.bund.de, verstößt gegen das Gebot der Staatsferne der Presse, wie aus einem Urteil des Bonner Landgerichts hervorgeht. Der Wort & Bild Verlag hatte Klage gegen den Betrieb des NGP wegen der Verletzung der Pressefreiheit "aufgrund eines Verstoßes gegen das Gebot der Staatsferne der Presse" eingereicht. Demnach überschreite das Gesundheitsministerium "den Umfang zulässiger staatlicher Öffentlichkeitsarbeit". Ob das BMG dagegen in Berufung geht, ist unklar. "Wir prüfen das Urteil und ziehen dann Konsequenzen", heißt es in einer Antwort auf eine Anfrage von heise online.

Das BMG betreibt das Gesundheitsportal samt zugehöriger Redaktion seit September 2020. Dort sind aufbereitete Artikel in den Rubriken "Krankheiten" und "Gesund leben" sowie "Pflege" und "Gesundheit Digital" zu lesen. Damit stehe das Gesundheitsportal "in unzulässiger Weise" in direkter Konkurrenz zu ähnlichen Angeboten wie apotheken-umschau.de vom Wort & Bild Verlag.

Ein wichtiger Anlass für die Klage: Das im Juni 2021 in Kraft getretenen Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (DVPMG) führte auch § 395 SGB V ein, wonach das BMG "ein elektronisches, über allgemein zugängliche Netze sowie über die Telematikinfrastruktur abrufbares Informationsportal" betreibt, das Gesundheitsinformationen bereitstellen soll. Das NGP werde "als einziges Gesundheitsportal mit der neuen elektronischen Patientenakte und dem E-Rezept verknüpft".

Damit entstehe laut Urteil eine "Exklusivbindung der elektronischen Patientenakte und des E-Rezept" an das NGP. Andere Anbieter würden demnach aktiv "von der Zielgruppe der gesetzlich krankenversicherten Patienten" abgeschnitten. Aus dem Urteil geht auch hervor, dass die Informationen über das E-Rezept und zum elektronischen Impfpass undifferenziert sind. Auf gesund.bund.de werden lediglich die Vorteile und Chancen der Anwendungen dargestellt und keine Risiken. Ebenso würde beispielsweise auch die Darstellung des Themas "Masern" und die Information zur Impfung politisch motiviert erscheinen.

Laut Andreas Arntzen, Vorsitzender der Geschäftsführung des Wort & Bild Verlags dürfe "die freie Presse [...] als Grundpfeiler für die freie Meinungsbildung nicht von staatlichen Konkurrenzangeboten beeinträchtigt werden. Staatliche Presseangebote [...] bergen die Gefahr einer Vermischung von objektiv-neutralen Inhalten mit politisch motivierter Berichterstattung und stören so den Meinungsbildungsprozess".

Dass das Bundesgesundheitsministerium ein eigenes Fachmedium "mit vollwertiger redaktioneller Berichterstattung über Gesundheitsfragen betreibt", hält Prof. Christoph Fiedler, Geschäftsführer Europa- und Medienpolitik im Medienverband der freien Presse (MVFP), für einen fatalen Tabubruch. "Das Nationale Gesundheitsportal ist in dieser Gestalt mit der Staatsfreiheit der Medien nicht vereinbar und stellt einen verwerflichen Eingriff in den freien Pressemarkt dar. Daher begrüßen wir das heutige Urteil des Landgerichts Bonn ausdrücklich, das eine grundlegende Entscheidung für den Erhalt einer freien und unabhängigen Presse im digitalen Zeitalter bedeutet", sagt Fiedler.

Das BMG hatte zudem mit der Suchmaschine Google kooperiert, wonach die Inhalte prominent in eigens erstellten Info-Kästen und vom Suchalgorithmus priorisiert (auf Position 0) in der Suche angezeigt wurden. Dagegen hatten Verlage wie der Konzern Hubert Burda Media und der Wort& Bild Verlag jedoch bereits erfolgreich geklagt. Seit Abschaltung der Infokästen würden auch die Klickzahlen des Verlags wieder steigen.

"Die eigentliche Herausforderung ist, seriöse von unseriösen Inhalten unterscheidbar zu machen. Das gelingt nicht, wenn die Politik meint, die Arbeit der Presse selbst machen zu können. Denn das führt bei den Bürger:innen dazu, dass nicht mehr klar ist, wer in der Gesellschaft welche Rolle spielt", sagt Dr. Dennis Ballwieser, Geschäftsführer des Wort & Bild Verlags und Chefredakteur der Apotheken Umschau.

(mack)