Viel Kritik am geplanten Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz

Das Kabinett hat das Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz und weitere Gesetze beschlossen, um dem Gesundheitssystem eine Grunderneuerung zu verpassen.

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Datennetze in einer Hand

(Bild: sdecoret/Shutterstock.com)

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Das Bundesgesundheitsministerium will eine "Runderneuerung" des Gesundheitssystems. Dazu gehören eine Reihe verschiedener Gesetze, von denen vier heute im Bundeskabinett beschlossen wurden – darunter das Gesetz zur Stärkung der öffentlichen Gesundheit, die Notfallreform und das Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz. Letzteres soll die Digitalisierung des Gesundheitswesens beschleunigen, hatte vorab aber viel Kritik einstecken müssen.

Zudem soll das bei der Digitalagentur angesiedelte Kompetenzzentrum für Interoperabilität im Gesundheitswesen (KIG) sicherstellen, "dass Anwendungen interoperabel sind". Dadurch soll es leichter werden, das Praxisverwaltungssystem zu wechseln. Sofern Kosten entstehen, weil Systeme nicht interoperabel sind, sollen Ärzte für diese nicht aufkommen müssen.

"Die Hardware ist zum Teil veraltet, die Verschlüsselungssysteme sind nicht wirklich auf die Nutzung von künstlicher Intelligenz ausgerichtet. [...] Da haben wir die Digitalagentur aus der Gematik errichtet und mit wesentlichen zusätzlichen Rechten ausgestattet", so Lauterbach. Damit sollen neue Komponenten schneller zum Einsatz kommen und funktionieren, damit nicht lange vor dem Bildschirm gewartet werden muss, "bis sich eine elektronische Patientenakte geöffnet hat".

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Mit dem Gesundheits-Agentur-Gesetz ist ein Ausbau der Gematik mit mehr Befugnissen geplant. "Die neue Digitalagentur soll ermöglichen, dass durch ihre Durchgriffs- und Aufsichtsrechte, digitale Infrastruktur wie Praxissoftware, die elektronische Patientenakte oder digitale Krankenhausakten auch zuverlässig und schnell funktionieren", sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Bisher hat die Gematik vor allem Spezifikationen erarbeitet, konnte aber nicht sicherstellen, dass diese auch eingehalten werden.

Ebenso soll die Gematik auch zertifizieren dürfen und "Anordnungen zur Gefahrenabwehr innerhalb der TI" erteilen dürfen. In Zukunft soll die Gematik als Digitalagentur bei Störungen Informationen der Anbieter anfordern und notwendige Maßnahmen ergreifen, zur Not auch bei den Anbietern vor Ort. Die Kosten dafür müssen die Anbieter selbst tragen. Ebenso soll es Strafen und Bußgelder für diejenigen geben, die sich nicht an die Vorgaben der Gematik halten.

Der Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg) und der Digitalverband Bitkom finden, dass das Gesetz "an vielen Stellen zu weit" geht. Er greife "tief" in den freien Wettbewerb ein, wie in der Vergangenheit bereist kritisiert wurde. Sie befürchten, dass das Gesetz "gravierende Folgen für diejenigen Akteure des Gesundheitswesens hat, die mit ihren IT-Systemen einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt und der Verbesserung der medizinischen Versorgung beitragen". Eine überbordende Regulation schaffe keine Innovationen.

"Eine zentrale Institution zum Betrieb einer Telematik-Infrastruktur (TI) und zur Sicherstellung der Interoperabilität ist sinnvoll und notwendig", sagte bvitg-Geschäftsführerin Melanie Wendling. Allerdings stelle sich ihrer Ansicht nach die Frage: "Wo fängt die Regulierungszuständigkeit der zentralen Institution an, und vor allem, wo sollte sie enden?", fragte Wendling. Durch den Gesetzesentwurf finde nicht nur eine Wettbewerbsverzerrung statt. Zusätzlich würden marktwirtschaftliche Akteure gehindert, durch Kreativität optimale Lösungen und Mehrwerte für die Nutzenden entwickeln zu können, erklärte die bvitg-Geschäftsführerin.

Aufgrund der zunehmenden Komplexität im Gesundheitswesen braucht es laut Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder eine "moderne Digitalagentur für Gesundheit, die Standards festlegt und ihre Einhaltung überwacht. Was wir aber nicht brauchen, ist eine Gematik, die selbst bestimmte Anwendungen entwickelt oder ausschreibt. Digitale Lösungen müssen im Wettbewerb entstehen und entwickelt werden".

Weitere Kritik am Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz kommt von den Krankenkassen, da die Gematik "selbst Aufträge für die Entwicklung und den Betrieb von Komponenten und Diensten der TI zu vergeben" kann, meinte Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. Gleichzeitig kann die Gematik weiterhin Produkte zulassen. "Die neue Digitalagentur ist dann also selbst Marktteilnehmerin mit eigenen Produkten und soll gleichzeitig die Produkte ihrer Mitbewerber aus der Industrie zulassen – ein offensichtlicher Interessenkonflikt. Die Möglichkeit, eigene Komponenten und Dienste der TI zu betreiben, kann und sollte daher allenfalls für zentrale Produkte gelten, die nur einmal im System vorhanden bzw. notwendig sind", bemängelt Pfeiffer.

Zudem seien die höheren Kosten im Gesetzentwurf bisher nicht berücksichtigt. 93 Prozent der Kosten müssen laut Pfeiffer weiterhin "von den Beitragszahlenden der gesetzlichen Krankenversicherung aufgebracht werden. Und auch zukünftig wird das Bundesgesundheitsministerium mit seinem Gesellschafteranteil von 51 Prozent und einfacher Mehrheitsentscheidung in der Gesellschafterversammlung letztlich über diese Mittel entscheiden können", sagte Pfeiffer.

Damit reihe sich das Gesetz in eine "Vielzahl von Gesetzesplänen der letzten Zeit, mit denen die Beitragszahlenden der GKV einseitig belastet werden". Für den Fall, dass die gesetzlichen Krankenkassen weiterhin die Kosten tragen, fordert die GKV, dass die Entscheidungen der Gesellschafterversammlung der Gematik "zumindest" im Einvernehmen mit der GKV hergestellt werden müssen.

(mack)