Lieferdienste: Getir macht den Exit in die TĂĽrkei
Lieferdienst Getir stellt Mitte Mai in Deutschland den Betrieb ein und überlässt Flink das Feld – aber auch der Konkurrent ist noch nicht aus dem Schneider. ​
Das Einhorn lahmt: Der Lieferdienst Getir zieht sich aus Deutschland zurück. "Das Unternehmen wird sich auf seinen Kernmarkt in der Türkei konzentrieren, wo es das größte Potenzial für langfristiges, nachhaltiges Wachstum sieht", teilte Getir am Montag mit und bestätigte damit Medienberichte der vergangenen Woche. Auch in Großbritannien, den Niederlanden und den USA stellt Getir seine Geschäftstätigkeit ein.
Wie viele Beschäftigte davon in Deutschland betroffen sind, ist offen. Laut Wirtschaftswoche hat das Unternehmen 1800 Angestellte. Unterdessen berichtet der "Business Insider", dass Getir der Bundesanstalt für Arbeit die Entlassung von rund 1200 Mitarbeitern angezeigt hat. Davon seien 800 als Fahrer und 400 in der Verwaltung oder den Lagern beschäftigt. Das Unternehmen dankt allen für ihren "Einsatz und harte Arbeit".
Corona-Hype Quick Commerce
Das Geschäftsmodell von Getir ist, Lebensmittel und Produkte des täglichen Bedarfs innerhalb von kurzer Zeit an die Haustür zu liefern – im Branchen-Sprech heißt das "Quick Commerce". Während der Corona-Pandemie haben sich Lieferdienste wie Getir, Gorillas oder Flink starker Nachfrage erfreut und sind kräftig gewachsen. Inzwischen ist der Hype wieder abgeklungen, der Markt bereinigt sich.
Gorillas, das ehemalige deutsche "Einhorn"-Startup mit einer Bewertung von über einer Milliarde Euro, wurde von Getir geschluckt. Dann folgte die erste Schrumpfkur und der Rückzug von zahlreichen europäischen Märkten. Zuletzt wurde auch über eine mögliche Übernahme von Flink durch Getir spekuliert. Eine Fusion der beiden wäre das bevorzugte Szenario für Mubadala, einen saudi-arabischen Staatsfonds, der zu den Hauptinvestoren von Getir zählt.
Mit Getirs RĂĽckzug aus Deutschland bleibt hierzulande Flink ĂĽbrig, bei dem unter anderem die Handelskette Rewe investiert hat. Flink ist mit einem kolportierten Marktanteil von um die 80 Prozent zwar der unangefochtene Platzhirsch in Deutschland, verdient aber auch immer noch kein Geld. Aus dem Schneider ist das Unternehmen mit dem RĂĽckzug des Konkurrenten nicht.
Anspruchsvolles Geschäftsmodell
Denn das Geschäftsmodell birgt nur kleine Margen: Für "Quick Commerce" müssen die Anbieter zahlreiche kleinere Auslieferungslager in einem Stadtgebiet betreiben. Das kostet Geld und verlangt einen hohen Personaleinsatz – beides geht zu Lasten der im Lebensmittelgeschäft ohnehin schmalen Margen. Und es kostet die Nerven der Anwohner: beliebt sind die Quick-Commerce-Lager in der Nachbarschaft nicht.
Investoren haben Milliarden in Quick Commerce gesteckt und einige Einhörner gezüchtet. Inzwischen hat sich die Lage geändert: Die Kunden können wieder selbst einkaufen gehen. Zudem gibt es Alternativen wie den Lieferdienst von Rewe oder Bringmeister, das gerade vom tschechischen Knuspr übernommen wurde. Die liefern nicht so schnell, haben aber das größere Sortiment. Nicht zuletzt sitzt angesichts steigender Zinsen den Investoren das Geld nicht mehr ganz so locker.
(vbr)