Linksteuer und kaputtes Web: Streit zwischen Google und Microsoft eskaliert

Im Clinch über die Vergütung von Presseverlegern wirft Google Microsoft vor, "Furcht, Unsicherheit und Zweifel" zu streuen. Die Redmonder seien Opportunisten.

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(Bild: Blackboard/Shutterstock.com)

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Googles "Außenminister" Kent Walker ist empört über die Strategie von Microsoft in der in vielen Ländern verstärkt geführten Debatte über eine angemessene Vergütung von Presseverlegern. "Wir begrüßen die Diskussion über Möglichkeiten, eine bessere wirtschaftliche Zukunft für den Qualitätsjournalismus zu schaffen", schreibt der Vizepräsident des Internetkonzerns in einem Blogbeitrag. Aber Vorschläge, die den Zugang zum offenen Web unterbinden würden wie der Ruf nach einer Entlohnung "für das bloße Anzeigen von Links auf Webseiten", schadeten "Verbrauchern, kleinen Unternehmen und Verlegern".

"Wir glauben auch, dass es in dieser wichtigen Debatte um die Substanz des Themas gehen sollte, und nicht um nackten Unternehmensopportunismus", verweist Kent auf "Microsofts plötzliches Interesse" an dem Streit. Google respektiere den Erfolg des Softwarekonzerns aus Redmond und konkurriere hart mit dem Wettwerber in Bereichen wie Cloud-Computing, Suche, Produktivitätsanwendungen, Videokonferenzen, E-Mail & Co. Leider kehre Microsoft bei diesem verschärften Kampf auf dem Markt "zu seinem gewohnten Verhalten zurück, indem es seine Konkurrenten angreift und Lobbyarbeit für Regelungen leistet, die seinen eigenen Interessen zugutekommen".

Die Redmonder stellten dabei "eigennützige Behauptungen auf und sind sogar bereit, die Funktionsweise des offenen Webs zu zerstören", wirft der für die globale Beziehungspflege Googles zuständige Manager dem Konkurrenten vor. Die aufgestellten "Behauptungen über unser Geschäft und die Art und Weise, wie wir mit Nachrichtenverlagen zusammenarbeiten", seien aber "schlicht falsch". Google helfe Verlegern weltweit, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, und werde über die nächsten drei Jahre Nachrichteninhalte über das "News Showcase" mit einem Budget von einer Milliarde US-Dollar lizenzieren. Diese Initiative bezieht sich aber nur auf ausgewählte Partner im Bereich Journalismus.

Microsoft kehre mit seinem "jüngsten Angriff" auf "seit Langem bekannte Praktiken" zurück, verlinkt Kent auf einen Wikipedia-Artikel zu "FUD" ("Fear, Uncertainty and Doubt"). Mit einem solchen Streuen von "Furcht, Unsicherheit und Zweifel" machten die Redmonder zuletzt vor allem im Kampf gegen Linux von sich reden. Dies alles komme just zu einer Zeit, in der Microsoft nach dem SolarWinds-Angriff und den massiv ausgenutzten Exchange-Lücken sowie damit verknüpfter Hacks zehntausender Kunden inklusive Behörden, NATO-Verbündeten, Versorgern und Krankenhäusern im Zentrum der Kritik stehe.

Kent sieht hinter den Äußerungen Microsoft im Clinch über den Umgang mit Verlegern daher ein Ablenkungsmanöver im Stil der "Scroogled"-Kampagne. 2012 hatten die Redmonder dem Konkurrenten aus dem Silicon Valley damit vorgeworfen, sich über die Produktsuchmaschine Google Shopping für die Platzierung dort auffindbarer Waren bezahlen zu lassen. Microsoft biete mit LinkedIn, MSN, Microsoft News und Bing viele Dienste an, über die Nachrichten regelmäßig konsumiert und geteilt würden, wettert der Google-Manager weiter. Dafür sei aber viel weniger Geld an die Medienindustrie geflossen als über die eigenen Initiativen.

Die beiden IT-Giganten hatten sich zuletzt rund um das neue australische Mediengesetz einen heftigen Schlagabtausch geliefert. Microsoft leiste gerne seinen Beitrag zu einem fairen Verhältnis zwischen den Technologiekonzernen und der freien Presse, hatte Microsoft-Präsident Brad Smith damals Bing als Alternative ins Spiel gebracht. Facebook und Google hatten dagegen damit gedroht, keine australischen Nachrichteninhalte mehr anzuzeigen. Google nahm dann aber Geld in die Hand, um einzelne große Medienanbieter wie News Corp. von Rupert Murdoch über sein "Showcase" zu bezahlen. Dass der australische News Media Bargaining Code zu einer Linksteuer führt, konnte letztlich noch abgewendet werden.

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Der neue Clinch entzündet sich am interfraktionellen Entwurf für einen Journalism and Competition Preservation Act, den der Demokrat David Cicilline und sein republikanischer Kollege Ken Buck in dieser Woche erneut ins US-Repräsentantenhaus einbrachten. Ähnlich wie das australische Mediengesetz und das europäische Leistungsschutzrecht soll die US-Initiative die Verhandlungsposition von Presseverlegern gegenüber Suchmaschinenbetreibern und News-Aggregatoren in Lizenzierungsverfahren verbessern.

Microsoft-Manager Smith begrüßte das Vorhaben bei einer Anhörung im Unterausschuss für Kartellrechtsfragen im Abgeordnetenhaus am Freitag. Er verwies auf ein Ungleichgewicht zwischen Verlagen und Online-Plattformen. Die Werbeeinnahmen von Zeitungen seien von 49,4 Milliarden US-Dollar 2005 auf 14,3 Milliarden 2018 gesunken, während die Werbeeinnahmen von Google von 6,1 Milliarden US-Dollar auf 116 Milliarden gestiegen seien. Auch wenn Nachrichten dazu beitrügen, Suchmaschinen zu beflügeln, würden Medienfirmen häufig nicht oder schlecht für ihre Nutzung entlohnt, meinte Smith: "Die Probleme, mit denen der Journalismus heute zu kämpfen hat, werden zum Teil durch einen grundlegenden Mangel an Wettbewerb in den Such- und Ad-Tech-Märkten verursacht, die von Google kontrolliert werden."

(bme)