Linus Torvalds suspendiert Bcachefs-Entwickler wegen Code-of-Conduct-Verletzung
Kent Overstreet wird nach verbalen Ausfällen gegenüber anderen Entwicklern sanktioniert – ein Novum bei der als ruppig geltenden Entwicklung des Linux-Kernels.
Linus Torvalds hat Kent Overstreet im Stillen angekĂĽndigt, vom Bcachefs-Entwickler zur Integration in Linux 6.13 vorbereitete Ă„nderungen links liegenzulassen. Der Linux-Erfinder und leitende Programmierer suspendiert Overstreet damit fĂĽr offenbar mindestens einen der neun oder zehn Wochen langen Entwicklungszyklen. Welche Auswirkungen das auf die weitere Entwicklung von Bcachefs innerhalb oder auĂźerdem des Linux-Kernels hat, bleibt abzuwarten; Overstreet bezeichnet dessen Zukunft selbst als "ungewiss".
Folge eines VerstoĂźes gegen den Verhaltenskodex
Torvalds setzt mit dem Schritt ein Ersuchen des für den Code of Conduct (COC) des Kernels zuständigen Komitees um, wie Overstreet selbst schreibt. Auslöser dafür ist "eine offene Sache mit dem COC-Komitee". Der Bcachefs-Entwickler führt dabei an, nicht zu wissen, was mit dem Gremium los sei und verweist auf Probleme mit der Kultur, für die er dann einige Beispiele liefert.
Erst viele Absätze später kommt Overstreet in seinem rund 36.000 Zeichen langen Text (ausgedruckt zirka ein Dutzend DIN-A4-Seiten) auf einen Vorfall, der das Ganze ins Rollen gebracht hat: Verletzende Aussagen gegenüber anderen Entwicklern von Linux. Davon gab es im letzten halben Jahr mehr als nur eine von seiner Seite – mit welchen er die Grenzen des guten Benehmens und des Code of Conduct von Linux überschritten hat, entschied das im Privaten tagende COC-Komitee.
Zahlreiche Entwickler nahmen AnstoĂź an Aussagen
Die problematischste Aussage dürfte eine gewesen sein, in der er einem angesehenen Entwickler des Memory-Managements-Codes empfahl, sich den Kopf untersuchen zu lassen und "mit der Scheiße gefälligst von hier zu verschwinden".
Die Umgangsformen der Linux-Kernel-Entwickler-Community gelten als schlecht, waren in den letzten zehn Jahren aber durchaus besser als ihr Ruf. Diese Aussage von Overstreet markiert daher einen extremen Tiefpunkt der letzten Jahre, der auch vielen Kern-Entwicklern von Linux ein starker Dorn im Auge war, wie inoffizielle und offizielle Diskussionen auf Mitte September abgehaltenen Konferenzen zeigten.
Dort fürchteten viele, Torvalds würde den Bcachefs-Erfinder womöglich nicht in die Schranken weisen. Dieser hatte vorher mehrfach Augen zugedrückt, als Overstreet sich nicht an die üblichen Verfahren beim Entwickeln und Einbringen von Code hielt und damit zahlreichen Entwicklern auf die Füße trat – darunter auch Torvalds selbst, der daraufhin drohte, Bcachefs wieder rauszuwerfen.
FrĂĽhere Probleme rund um Entwicklung von Bcachefs
Der Dateisystemcode gilt noch als experimentell und floss erst vor zirka einem Jahr in Linux 6.7 ein, nachdem Overstreet ihn über viele Jahre weitgehend im Alleingang extern entwickelt hatte. Vor und nach der Aufnahme hat er dabei immer mal wieder anderen Bcachefs-Mitstreitern vor den Kopf gestoßen, die sich daraufhin anderen Projekten zuwandten. Für Aufsehen sorgte auch Kritik an den Debian-Paketen mit den Bcachefs-Dateisystemtools, durch die der zuständige Debian-Maintainer wenig später das Handtuch warf.
Bei einigen Linux-Nutzern hat Bcachefs trotz solcher Eskapaden und des nach wie vor frühen Entwicklungsstadiums einen regelrechten Fan-Kult – kein Wunder, denn Bcachefs verspricht das zu bieten, was sich viele von Btrfs erhofft haben oder an ZFS schätzen. Solche Streitereien sind nichts Ungewöhnliches bei einem Thema wie diesem, aber die Menge ist ungewöhnlich hoch und der Ton oft selbst für Kernel-Kreise ungewöhnlich schroff.
Das führte dann zu Beschwerden über Overstreet beim vor einigen Jahren eingerichteten COC-Komitee. Das hatte bislang aber eher mit kleineren Vorfällen zu kämpfen, bei denen Entwickler meist Einsicht zeigen und sich öffentlich entschuldigen.
Eigens eingefĂĽhrte Regeln zur Sanktionierung
Daher fehlten auch Regeln, um inakzeptables Verhalten zu sanktionieren.
Diese hat das Komitee in den vergangenen Wochen entworfen. Sie flossen am Mittwochabend in die Dokumentation des Kernels ein; wenige Stunden später veröffentlichte Overstreet dann den eingangs erwähnten Text auf der Funding-Platform Patreon, über die er viele Jahre Spenden gesammelt hat, um die Entwicklung von Bcachefs durch ihn zu finanzieren. In den länglichen Ausführungen erläutert er, dass er zu einer öffentlichen Entschuldigung zur oben angeführten Aussage gegenüber dem Memory-Management-Entwickler nicht bereit ist.
(dmk)