Linux/Unix-Desktop Gnome 41: Performance-Schub und besserer Einstellungsdialog

Seite 2: Gnome Software 41 im neuen Kleid

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Das Software-Center "Gnome Software" präsentiert sich in Gnome 41 in neuem Gewand. Den größten Teil des UIs haben die Entwickler neu gestaltet. Optisch nimmt das Tool dabei klare Anleihen etwa von Apples App Store: Ganz oben findet sich weiterhin eine "Featured App", gleich darunter stehen nun diverse Kategorien zur Verfügung. Darunter finden sich noch auf der Startseite des Tools diverse prominente Programme, welche die Entwickler ihren Nutzern näherbringen wollen. Auch die Darstellung der Details zu einem einzelnen Paket ist nun deutlich übersichtlicher. Unter der Haube bleibt die Funktionalität von Software jedoch weitgehend gleich: Noch immer ist das Programm primär ein Front-End für Package Kit, das seinerseits auf die verschiedenen Paketsysteme der Distributionen zugreift. Obendrein enthält Gnome Software weiterhin Support für Anwendungen im Flatpak-Format.

Gnome 41 liefert endlich eine Funktion nach, die bisher nur mittels Plugin oder gar nicht verfügbar war: Als Teil des Einstellungsmenüs in der Status-Leiste oben erhält der Nutzer nun unmittelbaren Zugriff auf die Energieeinstellungen seines Systems. Wer also vor einem Laptop sitzt, wählt hier zwischen den verschiedenen Energie-Profilen oder gelangt mittels eines einfachen Klicks direkt zu den Energieeinstellungen. Das Energiemanagement, das bereits seit Gnome 40 zum Lieferumfang gehört, wird dadurch erst richtig nützlich.

Zudem denkt Gnome für den Nutzer nun zum Teil mit: Sinkt der Ladestand der Batterie unter einen festgesetzten Schwellenwert, aktiviert Gnome automatisch das Energieprofil zum Stromsparen. Dieses reduziert vorrangig die Helligkeit des Bildschirms. Windows oder macOS verfügen seit Jahren über ähnliche Funktionen, Gnome zieht hier nun also endlich nach. Und was wie eine Lappalie wirkt, erleichtert den Nutzern mobiler Geräte den Alltag manchmal erheblich.

Die Kalender-Anwendung von Gnome 41 unterstützt endlich das Öffnen von ICS-Dateien. Das hat mehr Auswirkungen, als man im ersten Augenblick vermutet: Weil das Programm bisher lediglich Kalender anzeigen konnte, betrachtete Gnome es formal gar nicht als Kalender. Entsprechend ließ sich in Gnome selbst als Standard-Kalender groteskerweise auch Gnome Calendar gar nicht auswählen. In Version 41 ist damit Schluss: ICS-Dateien öffnet das Tool nun klaglos. Und ist ein Termin im Kalender erst einmal importiert, sorgt das Fahren mit dem Mauszeiger über den Eintrag in der Tages- oder Wochenübersicht für die Anzeige der Termin-Details ohne zusätzlichen Klick.

Ebenfalls sein Debüt gibt in Gnome 41 Connections als Ersatz für Vinagre. Die Entwickler vermarkten das Tool als Client für die Verbindung zu entfernten Desktops, der sowohl mit Windows als auch mit macOS und Linux zurechtkommt. Dafür spricht es sowohl RDP als auch VNC. Damit die Verbindung klappt, ist die Voraussetzung freilich weiterhin, dass auf dem entfernten System ein entsprechender Server läuft oder die benötigte Remote-Management-Funktionalität aktiviert ist.

Nautilus ist weiterhin der unangefochtene Dateimanager für Gnome – und in Version 41 erhält er diverse Verbesserungen. Bei der Anzeige des Papierkorbs blendet Nautilus nun etwa ein, ob das automatische Leeren desselben aktiviert ist oder nicht. Ein einzelner Klick führt gleich zum Einstellungsdialog, wo die Funktion sich ein- oder abschalten lässt – das spielt gerade auf Business-Geräten eine Rolle, wo nutzlose Daten nach Möglichkeit nicht endlos lange im Papierkorb vergammeln sollten. Im Alltag praktischer ist jedoch, dass Nautilus in Gnome 41 auf Wunsch verschlüsselte Archive mittels des "Komprimieren"-Dialogs anlegen kann. Jenen haben die Entwickler komplett umgestaltet, so dass das jeweilige "zip"-Archiv auf Wunsch nun passwortgeschützt und verschlüsselt auf der Platte landet. Und apropos Verschlüsselung: Der Gnome-Partitionierer "Disks" beherrscht nun das Anlegen von LUKS2-Laufwerken, was ebenfalls vorrangig für mobile Geräte mit Geschäftsbezug von Interesse sein dürfte.

Gnome bringt eine eigene VoIP-Anwendung mit, deren Nutzen bisher allerdings eher eingeschränkt war – denn Gnome Calls sah sich vorrangig als "Call Handler", war selbst aber nicht in der Lage, Anrufe tatsächlich zu tätigen. Das ist in Gnome 41 anders, denn das Programm beherrscht nun das SIP-Protokoll grundlegend. SIP gilt als offenes Standardprotokoll für IP-Telefonie. Einen SIP-Provider vorausgesetzt, lassen sich Telefonnummern aus Anwendungen heraus per Gnome Calls nun direkt anrufen.

Last but not least haben die Entwickler in Gnome 41 einige Verbesserungen eingebaut, die die Performance des Desktops im Hinblick auf seine einzelnen Komponenten sowie insgesamt verbessern. Das Wechseln zwischen den virtuellen Desktops geht dadurch nun ebenso eleganter vonstatten wie der Wechsel zwischen einzelnen Applikationen. Gibt der Nutzer in Gnome-Anwendungen Text ein, erscheint dieser ein Quäntchen schneller auf dem Desktop. Wieder gilt: Was wie eine Lappalie wirkt, ist tatsächlich hilfreich – und jeder, der regelmäßig mit hohen Latenzen zu tun hat, kann bestätigen, wie lästig diese etwa bei der Texteingabe sind.

Zusammen mit Gnome 41 bringen die Gnome-Entwickler ein neues Portal für die Arbeit an Gnome an den Start. Das soll Neulingen den Einstieg in die Arbeit an Gnome erleichtern, indem es zentrale Richtlinien sammelt, die Entwicklungsregeln einfach erklärt und Kommunikationsmöglichkeiten zu erfahrenen Entwicklern ermöglicht. Das Developer-Portal richtet sich aber nicht nur an Einsteiger, sondern soll als zentrale Anlaufstelle für sämtliche Dokumentation und als Link-Hub für die einzelnen Komponenten auch die Arbeit der bestehenden Entwickler effizienter gestalten.

Gnome 41 ist nicht bahnbrechend im Hinblick auf seine Neuerungen, das war aber auch gar nicht das Ziel. Es handelt sich stattdessen um die sehr solide Fortführung der in Version 40 eingeführten Features, die die Entwickler mit manch neuer Funktion abrunden. Ein Update ist daher empfohlen – sobald es denn möglich ist: Bei Erscheinen dieses Artikels waren Gnome-41-Pakete für die gängigen Distributionen jedenfalls noch nicht verfügbar. Und auch für die bald in neuen Versionen erscheinenden Desktop-Distribution wie Ubuntu 21.10 kommt Gnome 41 wohl zu spät. Wie üblich bleibt die Hoffnung auf Entwickler und Paketierer, die den Desktop über eigene Paketverzeichnisse verfügbar machen. Wer es gar nicht abwarten kann, hat alternativ die Möglichkeit, Gnome 41 per Gnome Boxes und Gnome OS auszuprobieren.

(mho)