5G Broadcast: Neuer Übertragungsstandard soll DVB-T 2 ablösen

Ein Konsortium um den US-Chiphersteller Qualcomm will freien Fernsehempfang über 5G ermöglichen. Ein Profil auf Github liefert neue Eckdaten.

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Jugendliche mit Smartphones

(Bild: Monkey Business Images/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Niklas Jan Engelking
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Qualcomm will in Europa Fernsehempfang per Smartphone ermöglichen. Der US-Mobilfunkhersteller arbeitet gemeinsam mit der Freenet-Tochter Media Broadcast und anderen europäischen Unternehmen am sogenannten 5G Broadcast. Der Übertragungsstandard soll Live-TV ohne SIM-Karte und ohne Drittanbieter auf mobilen Endgeräten verfügbar machen. Ein jetzt veröffentlichtes GitHub-Profil liefert neue Eckdaten.

5G Broadcast für Rundfunkanbieter ist eine Übertragungsmöglichkeit von einem Sender an viele Empfänger gleichzeitig (point-to-multipoint) anstatt einer privaten Verbindung zwischen nur zwei Endgeräten (point-to-point). Endverbraucher benötigen zum Empfang weder eine SIM-Karte noch einen Vertrag bei einem Mobilfunkanbieter. Die Nutzung des neuen Dienstes verbraucht kein mobiles Datenvolumen. Allein ein 5G-fähiges Gerät mit dem neuen Broadcast-Feature reicht aus, sofern es die verwendeten Frequenzen für 5G Broadcast abdeckt.

Im Gegensatz zu point-to-point-Mobilfunkverbindungen belastet 5G Broadcast die Mobilfunknetze nicht. So könnte zum Beispiel die Übertragung eines Fußballspiels, deren Zuschauer sie bislang massenhaft über point-to-point-Verbindungen streamen, künftig auf eine einzige point-to-multipoint-Verbindung über 5G Broadcast entfallen. Erste Testläufe gab es bereits.

Beispielsweise konnten ausgewählte Nutzer in Paris, Stuttgart, Turin und Wien den Eurovision Song Contest 2022 mit entsprechenden Endgeräten verfolgen. Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten in Deutschland haben auch an dem neuen Standard mitgearbeitet. WDR, BR und SWR haben bereits Forschungsprojekte, unter anderem zusammen mit Vodafone und dem Elektronikkonzern Rohde & Schwarz durchgeführt. Im Mai ist ein 5G-Broadcast-Pilotprojekt in Halle (Saale) gestartet.

5G Broadcast wurde ursprünglich von 3GPP entwickelt. In Europa arbeiten der DVB-T-2-Betreiber Media Broadcast gemeinsam mit Qualcomm und anderen an der Marktreife des Standards. Ein kürzlich auf GitHub veröffentlichtes Profil liefert neue Eckdaten: Für 5G Broadcast wird mindestens das LTE-Band n108 benötigt, bei 698 MHz im Downlink. Die im Endgerät verbauten Mobilfunkchips müssen unter anderem zu 100 Prozent MBMS-allokationsfähig sein und dualen Antennenempfang sowie Multithreading unterstützen.

Zudem müssen entsprechende MBMS-Auslieferungsmethoden unterstützt werden (Download und Transparent) sowie die Protokolle RTP (transparent), DASH, TSoverIP (transparent), HLS (transparent), FLUTE, ROUTE (transparent). Neben der Service-announcement-Funktionalität sind die Funktionalitäten Bootstrap.multipart file und MBMS-URL erforderlich.

Für den Übertragungsstandard werden die Audio-Codec HE-AAC aacPlus, enhanced aacPlus, AC-3 und AAC benötigt sowie die Video-Codecs H.264 High profile, H.265 (HEVC) und H.266 VVC. Zudem sind auf Github die Codecs CMAF, mp4, ISO BMFF, MPEG-2 TS als Anforderung angegeben.

Rundfunkhäuser sehen in 5G Broadcast einen neuen Weg zur Verbreitung ihrer Inhalte. Die Nutzung von terrestrischen Übertragungsstandards wie DVB-T 2 ist immer weiter rückläufig. Plattformbetreiber von Antennenfernsehen wie Media Broadcast sehen in 5G Broadcast einen neuen Geschäftszweig, der ihr Fortbestehen sichern könnte. Auch für Qualcomm könnte sich mit der Herstellung und dem Verkauf entsprechender Chips ein Zukunftsmarkt eröffnen.

Ob sich 5G Broadcast in Europa flächendeckend durchsetzen wird, ist noch fraglich. Besonders da, wo LTE- und 5G-Netze bereits gut ausgebaut ist, würde der Entfall vieler point-to-point-Verbindungen bei großen Livestreams nicht wirklich ins Gewicht fallen. Zudem benötigen Smartphones für 5G Broadcast spezielle Prozessoren, die aktuell nur bei bestimmten Prototypen eingebaut sind.

(nen)