Massenentlassungen bei Cinram Aachen geplant
Die Geschäftsführung verpasst Kritikern einen Maulkorb und entlässt einen Gewerkschafter fristlos.
Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr soll es bei Europas zweitgrößtem CD- und DVD-Hersteller Cinram in Alsdorf bei Aachen eine massive Kündigungswelle geben. Nachdem zu Jahresbeginn bereits 100 Mitarbeiter entlassen wurden und im Sommer schließlich die Tarifentgelte um 7,5 Prozent abgesenkt worden waren, haben sich Betriebsrat und Management nun offenbar darauf verständigt, weitere 350 der 1300 Beschäftigten zu entlassen und ab Januar die 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich einzuführen. Zusätzliche Kürzungsmaßnahmen sollen angeblich folgen, wie aus Unternehmenskreisen verlautet. Firmenvertreter lehnten eine Stellungnahme gegenüber heise online bislang ab.
Mitarbeiter kritisierten die geplante Maßnahme nach deren Bekanntwerden im Betrieb harsch -- und damit auch den Betriebsrat. Sie sammelten Unterschriften gegen die Kürzungspläne und für die Einberufung einer Betriebsversammlung, um über mögliche Maßnahmen zur Gegenwehr zu beraten. Der Unternehmensführung war das offenbar zu viel der freien Meinungsäußerung: Sie entließ einen der Wortführer fristlos, den Vertrauensmann der Chemiegewerkschaft IG BCE, Marc Treude. Die Begründung: Treude, erst vor wenigen Wochen für das linke Wahlbündnis Gemeinsam gegen Sozialkahlschlag in den Rat der Stadt Aachen gewählt, hatte auf der Website www.sozialismus.info einen Artikel veröffentlicht, in dem er den geplanten Arbeitsplatzabbau kritisierte. Eine Cinram-Sprecherin lehnte es ebenfalls ab, diese Entlassung gegenüber heise online zu kommentieren.
"Es erinnert an frühkapitalistische Verhältnisse, wenn Gewerkschafter fristlos gekündigt werden, weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen", sagte Marc Treude. "Aber Geschäftsleitung und Betriebsrat werden mich nicht mundtot kriegen". Gemeinsam mit seinen Kollegen werde er gegen seine und alle anderen geplanten Entlassungen kämpfen, kündigte er an. Zu seiner Unterstützung wurde bereits eine Solidaritätskampagne ins Leben gerufen.
Im Juli vergangenen Jahres hatte die kanadische Cinram-Muttergesellschaft einen Großteil des DVD- und CD-Geschäfts von AOL Time Warner für rund 1,05 Milliarden übernommen. An diesem Happen hat sich der Konzern offenbar verschluckt. (tol)