Medi:cus: Cloud-Plattform für Gesundheitsdaten aus dem Ländle nimmt Formen an

Baden-Württemberg will mit dem Projekt Medi:cus Krankenhäusern bundesweit helfen, den "riesigen Digitalisierungsstau" in einer Multi-Cloud-Umgebung aufzulösen.

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Mann mit Arztkittel zeigt auf verschiedene Icons zur Digitalisierung im Gesundheitswesen

(Bild: raker/Shutterstock.com)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Die von Baden-Württemberg mit einer millionenschweren "Start-Finanzierung" geförderte medizinische Cloud-Plattform Medi:cus soll mit einfachen IT-Leistungen Mitte des Jahres starten. Erste Fachdienste würden dann "bis Mitte oder Ende 2026" bereitgestellt, erklärte Projektleiter Alexander Becker vom baden-württembergischen Innenministerium am Mittwoch auf einer Fachtagung des IT-Verbands Bitkom zur Cloud im Gesundheitswesen in Berlin. Er sprach dabei von "Toren für die klinische Versorgung", die der geplante "Marktplatz für Multi-Cloud ohne Vendor-Lock-in" öffnen solle. Es gehe darum, den Krankenhäusern beim Wechsel in die digitale Welt zu helfen. Für den Betriebswirtschaftler steht fest: "Wir müssen den ganzen Sektor transformieren." Die Cloud sei dafür "das Mittel der Wahl".

"Wir wollen als Intermediär fungieren", verdeutlichte Becker. Die Vision hinter Medi:cus sei ein "cloudbasiertes Gesundheitsdaten-Ökosystem mit nachhaltiger und sicherer IT-Infrastruktur". Entscheidend seien dafür Standardisierung und Interoperabilität. "Wir müssen in 'Stores' mit Fachdiensten und Basisleistungen denken", führte der Leiter der Initiative aus. Dabei behalte das Team neben den Realitäten in Krankenhäusern, wo manche noch nicht einmal WLAN hätten, während Uni-Kliniken schon deutlich weiter seien, auch regulatorische Herausforderungen sowie die "soziale Komplexität" im Blick.

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Konkreter veranschaulichte Ammar Alkassar, Vorstandsmitglied des GovTech Campus, den Stand der Dinge. Der Berliner Digitalisierungsdienstleister von Staat und öffentlicher Verwaltung gehört neben dem Beratungshaus Deloitte zu den zwei Implementierungspartnern von Medi:cus. Alkassar beschrieb die bislang skizzierten "Medi:core-Basisdienste" als Drehscheibe und Austauschplattform von "Kerndaten" von Patienten. Dazu gehörten etwa ein Identitätsmanagement für den Zugang zu der Plattform, eine Messenger-Lösung sowie eine Anwendung für Telekonsil-Runden, in denen sich Ärzte digital über Befund, Diagnose und Therapie abstimmen. Auch den "dysfunktionalen Markt" für Krankenhaus-Informationssysteme (KIS) wolle Medi:cus teils mit abdecken.

Komplexe Untersuchungstechniken wie die Magnetresonanztomographie (MRT) ließen sich nicht einfach in die Cloud packen, weiß Alkassar über die Einschränkungen des verfolgten Ansatzes. Machbar sei aber eine "Steckdose" zur sicheren Anbindung von Krankenhäusern allgemein. Damit werde der Anschluss an die Cloud einfacher. Dazu komme ein einheitliches Datenschutzkonzept, um schneller Apps für Kliniken entwickeln oder ausbauen zu können sowie die Beschaffung signifikant zu erleichtern. Nur für "zwingend erforderliche Dinge" im Intensivbereich bleibe es bei einer Datenverarbeitung im lokalen Rechenzentrum, das über ein physisches VPN abgesichert werde.

Parallel werkelt die Gematik im Auftrag des Bundes an einer umfassenden Telematikinfrastruktur (TI). Dafür schwebt den Medi:cus-Machern ein "Embrace and Extend"-Ansatz vor. Es gebe da schon "gute Arbeiten zur Standardisierung", ist Alkassar nicht entgangen. Gemeint ist damit etwa der TI-Messenger (TIM), der auf dem Matrix-Protokoll basiert.

"Wir werden das gleiche System 1:1 nehmen", kündigte der GovTech-Experte an. Mit dem Bundesgesundheitsministerium sei abgesprochen, dass Medi:cus dabei angesichts der drängenden Zeit aber Standards antizipieren werde, wenn die Gematik diese noch nicht final vorgelegt habe. Etwa die Schwelle für Anhänge beim TIM (25 Megabyte) werde das Team hochsetzen, da sich sonst keine Röntgenbilder verschicken ließen. Auch von EU-Projekten, die vor allem mit dem Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) verknüpft sind, "werden wir gute Komponenten übernehmen". Medi:cus sei ferner offen für Anwendungen von Start-ups, gerade im Bereich KI.

Generell gelte das Motto, nicht spezielle Apps auszusuchen, sondern einen Markt zu schaffen. Drei Bundesländer hätten schon gefragt, ob sie sich anschließen könnten. Medi:cus habe 200 Kliniken im Rücken und damit eine "große Stakeholder-Landschaft", hob Becker hervor. Auch wenn der Plattformbetreiber noch offen sei, lasse sich der Zug kaum mehr aufhalten: "Wir bauen Markt- und Projektmacht auf, um den politischen Komplex ein bisschen zu übersteuern." Die Konkurrenz schläft derweil nicht: AWS hat nach eigenen Angaben hierzulande die privaten Krankenhäuser Max-Grundig-Klinik und Mainschleife bereits weitgehend in die Cloud gehoben.

(mack)