Medienrechtler: ARD und ZDF dürfen Tageszeitung im Netz nicht ersetzen

Der Kommunikationsrechtler Hubertus Gersdorf hält aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken eine Begrenzung der "Textdienste" der Öffentlich-Rechtlichen im Internet für nötig und fordert eine Kontrollinstanz.

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Der Kommunikationsrechtler Hubertus Gersdorf hält aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken eine Begrenzung der digitalen "Textdienste" der öffentlich-rechtlichen Sender im Internet für dringend erforderlich. Sie stellten oft einen "vollwertigen Ersatz zu einer Tageszeitung" dar, monierte er während einer Diskussionsrunde auf Einladung der Verlegerverbände BDZV und VDZ sowie der Stiftervereinigung der Deutschen Presse gestern in Berlin. Sie dürften aber eigentlich nur eine reine Ergänzung gezeigter Rundfunkinhalte bilden. Dieser "strikte Programmbezug" könne auch vom Gesetzgeber nicht gelockert oder gar aufgelöst werden.

"Die Informationsgesellschaft braucht einen staatsfernen Rundfunk", erläuterte Gersdorf. Alle Angebote von ARD und ZDF müssten "dahingehend überprüft werden, ob das Rundfunkprivileg noch gerechtfertigt ist". Gebraucht werde eine externe und unabhängige Kontrollinstanz, die vage Begriffe wie "Programmauftrag" und "programmbegleitend" kläre. "Was offline nicht zulässig ist, darf online auch nicht zugestanden werden", gab der Medienrechtler als Parole für die Öffentlich-Rechtlichen aus.

Sollten sich ARD und ZDF weiter online ausbreiten, sieht Wolfgang Fürstner vom VDZ gar "den Bestand der freien Presse" in Gefahr. Die klassischen Printmedien hätten bis 2015 mit durchschnittlichen Anzeigen-Verlusten in Höhe von 15 Prozent zu rechnen, während das Werbevolumen im Internet gleichzeitig um 30 Prozent wachse. Die klassischen Verlage müssten diese Einbußen über das Internet also kompensieren.

Auch Dietmar Wolff vom BDZV warf ARD und ZDF vor, die Marktmechanismen zu ignorieren, hohe Klickzahlen mit den eigenen Angeboten zu erzielen und Nutzer durch Spiele anzulocken. So würden Besucher von den Seiten der privaten Anbieter abgezogen, die sich über Werbewährung finanzieren müssten. Auch der FDP-Medienpolitiker Hans-Joachim Otto zeigte sich "sehr skeptisch, ob das verfassungsrechtlich zulässig ist, was da bei den Öffentlich-Rechtlichen in voller Breite im Internet besteht". Es sei den Gebührenzahlern immer weniger verständlich zu machen, wieso ARD und ZDF "so viele Milliarden bekommen, wenn sie genau das tun, was andere auch tun".

"Wir wollen im publizistischen Wettbewerb bleiben, das ist das Signum einer freien Demokratie", hielt ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender dagegen. Von einer Konkurrenz zu den Internetangeboten Privater könne auch keine Rede sein, da die Öffentlich-Rechtlichen online keine Werbung zeigten. Zudem investiere das ZDF nicht mehr als 12 Millionen Euro pro Jahr in den eigenen Webauftritt. "Wir gehen online, weil eine neue Form der Rezeption von Wissen und Erkenntnissen da ist." Zugleich räumte er aber ein, dass im Online-Bereich die "Defekte" der Berichterstattung der Privaten nicht so klar erkennbar seien wie beim Fernsehen und ein Ausgleich durch die Öffentlich-Rechtlichen somit weniger dringend sei.

Um Bewegung in den seit Langem geführten Stellungskampf zu bekommen, hat der VDZ einen runden Tisch mit den Öffentlich-Rechtlichen anberaumt. Fürstner glaubt aber nicht an eine Verständigung vor allem mit der ARD. Auch der BDZV habe bereits Vermittlungsgespräche mit den Intendanten geführt, berichtete Wolff. Dabei hätten die unterschiedlichen Positionen aber nicht ausgeräumt werden können. Marc-Jan Eumann, Vorsitzender der Medienkommission beim SPD-Parteivorstand und Mitglied im WDR-Rundfunkrat, hält eine gemeinsame Bündnisstrategie dagegen für machbar und nötig. Die traditionellen Medienhäuser müssten Wege finden, "gemeinsam in einer Welt zu agieren, die von ganz anderen Akteuren bedroht ist". (Stefan Krempl) / (anw)