Medientage: "Sexuelle Verwahrlosung" durch Online-Pornos?

Werden Jugendliche durch im Netz leicht erhältliche Pornografie in ihrer Entwicklung beeinträchtigt? Damit beschäftigte sich eine Expertenrunde auf den Medientagen: Jugendschützer warnen vor der Porno-Welle im Netz, der Sexualforscher hält das für Sensationsmache.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 523 Kommentare lesen
Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Monika Ermert

Unter dem zugkräftigen Motto "Fesselsex statt Flaschendrehen" lud die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) am gestrigen Mittwoch zur Diskussionsrunde auf den Münchner Medientagen. Doch fand die Expertenrunde um KJM-Präsident Wolf-Dieter Ring keine Anhaltspunkte dafür, dass die aus Sicht der Medienkontrolleure enorm gewachsene Verfügbarkeit von Pornographie im Internet tatsächlich zur "sexuellen Verwahrlosung" von jungen Menschen geführt habe. Als "reines Medienphänomen" und sogar "Sensationsmache" bezeichnete der Leipziger Sexualforscher Kurt Starke den Begriff.

Die hierzulande legale Pornographie, laut Gesetz von Kindern fernzuhalten, bilde längst nicht mehr nur Blümchensex ab, warnte dagegen KJM-Stabschefin Verena Weigand. Das im Netz erhältliche Material enthalte Darstellungen härterer Sexualpraktiken wie etwa Fäkalsex oder Sex im Zusammenhang mit Gewalt. Insgesamt werde die Anzahl der Pornoseiten im weltweiten Netz auf 420 Millionen geschätzt. Die Mitarbeiter der KJM hätten sich das in dieser Form nicht vorstellen können, "als uns 2003 die Aufgabe ereilte, das Internet mit zu beaufsichtigen", erklärte Weigand.

Rechtsanwalt Marko Dörre, der für den Bundesverband Erotikhandel in der Runde saß, warf die Frage auf, ob die KJM mit ihrem ehrenhaften, aber auch symbolischen Kampf gegen Pornos im Netz nicht ein irreführendes Zeichen setze: "Geben Sie den Eltern damit nicht das Signal, das Internet wird irgendwann sauber sein und sie können ihre Kinder nachmittags einfach davor setzen?" Tatsächlich werde man Pornographie aber nicht mehr aus dem Netz heraus bekommen. Bei 420 Millionen Seiten und 1000 von der KJM geführten Verfahren in sechs Jahren "können Sie ausrechnen, wie lange sie noch brauchen". Dörre will dagegen die Eltern in die Verantwortung nehmen.

Verbieten lasse sich Pornographie tatsächlich nicht, meinte auch Starke. Der Sexualforscher stimmte seiner ebenfalls geladenen Kollegin Petra Grimme zwar zu, dass junge Männer rund viermal so viel Pornographie im Netz konsumierten wie junge Frauen. Dennoch falle jungen Menschen zum Thema Sexualität heutzutage als Erstes immer noch "Liebe" ein. Das Alter für erste sexuelle Erfahrungen sei in den vergangenen 20 Jahren konstant geblieben. Die ersten sexuellen Erfahrungen machten Jugendliche meist zu Hause mit einem Partner, den die Eltern kennen. Zudem gebe es keine Hinweise, dass junge Menschen die Partner häufiger wechselten.

(vbr)