Mega-Mobilfunkkonzerne: Scholz' und Macrons alt-neue Vision vom Wettbewerbsrecht

Deutschland und Frankreich wollen "europäische Champions" vor allem im Mobilfunk- und Luftfahrtsektor ermöglichen und so die EU-Wettbewerbsfähigkeit stärken.

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Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprechen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen

Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (2022).

(Bild: EU-Kommission/Dati Bendo)

Lesezeit: 4 Min.

Die Regierungen Deutschlands und Frankreichs fordern eine Novelle der EU-Wettbewerbsregeln, um den Weg vor allem für größere Telekommunikationsunternehmen und Fluggesellschaften durch Mega-Übernahmen zu ebnen. Zudem drängen sie auf mehr "gezielte" Subventionen, damit Firmen besser wachsen können. Dies geht aus einem "Impuls" genannten Papier für eine "neue Agenda zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und des Wachstums in der Europäischen Union" hervor, das der deutsch-französische Ministerrat am Dienstagabend im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf Schloss Meseberg beschlossen hat.

"Strukturelle Wettbewerbsprobleme im globalen Kontext" sollen laut dem Papier gelöst werden. Dies sei eine "Grundvoraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen". Es gelte, "die Konsortialbildung und die Konsolidierung in Schlüsselsektoren" wie Mobilfunknetze und der Luftfahrt zu erlauben, auch "um die europäische Resilienz zu stärken".

Einen Freibrief für Übernahmen es aber nicht geben. Zugleich müsse die Fusionskontrolle gestärkt werden, "um strategische Akquisitionen durch potentielle Wettbewerber zu adressieren, die Innovationen behindern ('killer acquisitions')". Nötig sei daher eine "gründliche Umsetzung und Überwachung" des Digital Markets Act (DMA), "die durch Aufsichtsgebühren finanziert werden könnten". Sprich: Big-Tech-Konzerne sollen an der finanziellen Last ihrer eigenen Monopolkontrolle beteiligt werden, wie es beim Digital Services Act (DSA) bereits der Fall ist.

Generell wollen Deutschland und Frankreich das Ökosystem für Telekommunikation (TK) und Digitalisierung voranbringen. Europa brauche "die bestmögliche Abdeckung mit modernsten Mobilfunknetzen, in denen neueste Netztechnologien wie 5G-Standalone zum Einsatz kommen". Deshalb müsse man sich "dringend gemeinsam mit Fragen der Fragmentierung und Resilienz im Mobilfunksektor befassen". Bei der Standardisierung der kommenden Mobilfunkgeneration 6G rufen die zwei EU-Motoren "zur Bündelung europäischer Kräfte auf, damit wir bei der Ausgestaltung des Standards eine führende Rolle einnehmen". Auch der europäische Cloud-Markt müsse gestärkt werden.

Wirklich neu ist vor allem die Passage zu großen Firmenzusammenschlüssen aber nicht. Die EU-Kommission setzt sich seit gut zehn Jahren dafür ein, einzelne europäische Unternehmen – vor allem im Infrastrukturbereich – für den globalen Wettbewerb zu stärken. In den USA gebe es nur eine Handvoll Telcos, in Europa über 200, ist da oft zu hören. Der Chef der Deutschen Telekom, Timotheus Höttges, bezeichnete es 2019 als Folge verfehlter Regulierungspolitik, dass das gängige europäische TK-Unternehmen eine Million Kunden versorge, während die Vergleichsgröße in China bei 400 Millionen liege. Nötig seien "europäische Champions" auch in Bereichen wie Cloud, Chip-Sets, KI und Software, die alle miteinander zur "Wertschöpfungskette der Zukunft" verschmölzen.

Im aktuellen Weißbuch der EU-Kommission zum Aufbau der digitalen Infrastruktur Europas von morgen spiegelt sich erneut das Ansinnen insbesondere von Binnenmarktkommissar Thierry Breton wider, globale Champions im Telco-Sektor aufzubauen. Auch der italienische Ministerpräsident Enrico Letta betont in seinem im April vorgelegten Binnenmarktbericht: "Größe ist entscheidend" mit Blick vor allem auf den TK-Sektor. Er plädiert dafür, gegen die Fragmentierung dort sowie in den Bereichen Energie und Finanzen vorzugehen.

Die Untersagung des Zusammenschlusses zwischen Siemens und Alstom durch die EU-Kartellbehörde hat die Debatte befeuert. Der Prüfansatz der Kommission wird dabei oft als "technisch richtig", aber "falsch für Europa" bezeichnet. Es sei zwar sinnvoll, Erfolgschancen europäischer Unternehmen zu verbessern, "die sich durch Qualität, Innovation und attraktive Preise weltweit und in Europa im Wettbewerb hervortun", erklärte der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, schon 2019 dazu. Aber ein Aufweichen der Wettbewerbskontrolle wäre kontraproduktiv.

(vbr)