Memorandum für ein praxistaugliches Urheberrecht
Schulen ans Netz verlangt Klarstellungen im Urheberrecht und Beseitigung der Rechtsunsicherheit im Unterrichtsalltag.
Die aktuelle Diskussion um die erneute Reform -- den so genannten "Zweiten Korb" -- des Urheberrechtsgesetzes wird nach Ansicht des Vereins Schulen ans Netz, der sich auch am Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" beteiligt, vor allem von den Trägern wirtschaftlicher Interessen geprägt und berücksichtige die Bedürfnisse des Einsatzes der Informations- und Kommunikationstechnologien im Unterricht bisher nur am Rande. In der Praxis zeige sich, dass viele Lehrkräfte den Einsatz der neuen Medien wegen rechtlicher Unsicherheiten scheuen.
"Die komplizierten Regelungen des Urheberrechtsgesetzes bleiben selbst für Juristen in ihrer Reichweite unklar und führen auch noch zu höchst unterschiedlichen Meinungen. Wie kann man da erwarten, dass Lehrkräfte die neuen Medien im Unterricht einsetzen und riskieren, sich vielleicht sogar noch strafbar zu machen?", kritisiert der Direktor am Freiburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, Professor Ulrich Sieber, die mit der Urheberrechtsnovelle vor einem Jahr geschaffene Rechtslage. "Wenn die Bundesregierung mit Blick auf die Wissensgesellschaft die Nutzung der neuen Medien im Bildungs- und Wissenschaftsbereich fördern will, dann muss sie auch die urheberrechtlichen Rahmenbedingungen dafür schaffen".
In einem für Schulen ans Netz verfassten Memorandum zählt Sieber eine Reihe praxisuntauglicher Regelungen und Unklarheiten des geltenden Urheberrechtsgesetzes auf. So scheint der Online-Zugriff auf Inhalte innerhalb eines schulischen Intranets oder auf den passwortgeschützten Bereich einer Homepage nach der Vorschrift des Paragrafen 52a UrhG nur erlaubt zu sein, wenn dies unmittelbar im Unterricht erfolgt; schon für den Zugriff im Rahmen der Erledigung von Hausaufgaben, etwa von zuhause aus, bietet die Vorschrift keine verlässliche Grundlage. Erhebliche rechtliche Unsicherheiten bestehen außerdem, ob privat erworbene oder in einer gewöhnlichen Videothek ausgeliehene Videokassetten oder DVDs im Unterricht vorgeführt werden dürfen. In seinem Memorandum fordert Siebert daher eine Klarstellung im Gesetz, die dies ausdrücklich ermöglicht und damit Lehrkräfte nicht länger zwingt, in einer rechtlichen Grauzone zu agieren.
Zur Auseinandersetzung um das Urheberrecht siehe auch:
- Ein Interview mit Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und Ministerialdirektor Elmar Hucko über Softwarepatente, Urheberrecht und geistiges Eigentum bringt c't in der aktuellen Ausgabe: "Das Urheberrecht kennt kein Recht auf Privatkopie", c't 16/2004, S. 158
- Böll-Stiftung macht sich für "Open Innovation" stark
- Wissenschaftler fordern "faires" Urheberrecht
- Online-Umfrage zum Urheberrecht
- Filmindustrie lässt "Raubkopierer im Knast Probesitzen"
- "Elektronischer Hausfriedensbruch", Pauschalabgabe, DRM und Privatkopie: Streitpunkte bei der zweiten Urheberrechtsnovellierung, c't 6/2004, S. 58
- Buchhandelslobby trägt Streit um wissenschaftlichen Kopierdienst nach Brüssel
- Justizministerium will Online-Kopierern weitere Steine in den Weg legen
- "Berliner Erklärung" fordert Musik-Flatrate fürs Internet
- Creative Commons als Geheimwaffe der Künstler im Copyright-Krieg
- An der neuen Copyright-Richtlinie der EU scheiden sich die Geister
- Werbeverband hält Kampagne gegen Raubkopierer für äußerst fragwürdig
- Filmwirtschaft startet Abschreckungskampagne gegen Raubkopierer
- Reform des Urheberrechts tritt in Kraft
- Neues Urheberrecht sorgt für neue Diskussionen
- Gefährliches Pflaster P2P, Auch Downloads aus Tauschbörsen werden illegal, c't 15/2003, S. 88 (verfügbar im heise online-Kiosk)
- Parlamentarier feilschen ums Urheberrecht
- Justizministerin tritt Kampagne der Verleger zum Urheberrecht entgegen
(Richard Sietmann) / (jk)