Mensch und Computer: Die Revolution macht Quiek

Irgendwann zwischen 2000 und 2100 wird die Computer-Revolution stattfinden, getragen von der Generation, die heute das Programmieren lernt, meinte Alan Kay zum Abschluss der "Mensch und Computer".

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Von
  • Detlef Borchers

Mit einem Memorial für den Norweger Kristen Nygaard endete heute die jährliche Fachtagung Mensch und Computer in Hamburg. Nygaard starb am 10. August in Oslo im Alter von 76 Jahren. In den 60er Jahren wurde der gelernte Mathematiker als Schöpfer von Simula und Simula 67 in der Erweiterung von Algol bekannt. Als Pionier des objekjorientierten Programmierens erhielt Nygaard zusammen mit seinem Landsmann Ole-Johan Dahl 2001 die v. Neumann-Medaille der IEEE und 2002 den Turing Award der ACM. Bereits 1990 erhielt der engagierte Atomkraftgegner und EU-Verweigerer den Norbert Wiener Award der CPSR (Computer Professionals for Social Responsibility). Mit dem Memorial für Nygaard schlug die Fachtagung eine denkwürdige Brücke, denn Alan Kay, der die Schlussnote des Kongresses halten sollte, begann seine Karriere als Computerguru an der Universität Utah mit einem Haufen Bänder für eine Univac 108 und der Anweisung seines Lehrers: "Das ist Algol. Bring es zum Laufen." Kay schaffte das Kunststück. Die Bänder enthielten eine erste Variante von Simula.

Unter seinem Standard-Titel "The Computer Revolution hasn't happened yet" beschäftigte sich Kay diesmal nur kurz mit der Genese der Computertechnik von den ersten interaktiven Entwürfen (Sketchpad, NLS, Dynabook) bis heute. Anhand der Geschichte des Buchdrucks machte Kay auf die großen Zeitspannen aufmerksam, die zwischen einer Erfindung und ihrer revolutionierenden Anwendung liegen. 50 Jahre nach Gutenberg tauchten Seitenzahlen in Büchern auf, noch einmal 20 Jahre dauerte es, bis diese in anderen Büchern zitiert wurden. Ähnlich sieht es heute beim Computer aus: Irgendwann zwischen 2000 und 2100 wird nach Kay die Revolution stattfinden, getragen von der Generation, die heute das Programmieren lernt. Ausführlich stellte Kay darum die Möglichkeiten der von ihm mit entwickelten quelloffenen Programmiersprache Squeak vor, die für ihn weit mehr als eine Java-Alternative ist. Squeak bilde die seltene Möglichkeit, Kindern das Programmieren beizubringen, ohne sie zu verdummen oder mit absichtlich dumm gehaltener Software zu verhunzen, betonte Kay.

Den Schwerpunkt der diesjährigen Tagung bildeten Vorträgen über die computerunterstützte Gruppenarbeit (CSCW). Mit etwa 350 Teilnehmern lag die Anzahl der Besucher etwas unter dem Vorjahr, doch zeigte sich Horst Oberquelle vom Organistionskomittee des German Chapter der ACM gegenüber heise online zufrieden. "Bei uns hat diesmal eindeutig die Wirtschaft gefehlt, besonders die New Economy hier aus Hamburg. Ein katastrophaler Einbruch wie bei unserem amerikanischen Gegenstück ist uns erspart geblieben." Dort blieben über 1000 Teilnehmer von früher erreichten 2500 der Interact fern und bescherten dem Veranstalter ein Finanzdesaster.

Zwei Vorträge wurden in Hamburg als Best Paper unter insgesamt 45 Vorträgen ausgezeichnet. Ein Team des Fraunhofer Institutes IAO in Stuttgart stellte den "Matrix Browser" vor, der versucht, große Informationsmengen in einer Kreuztabelle wiederzugeben, bei der sowohl in den Randleisten im Stil eines Dateibrowsers wie in der Tabelle selbst gezoomt werden kann. Ein Team von der Universität Magdeburg stellte ein dreidimensionales Puzzle für die Ausbildung von Physiotherapeuten und Medizinern vor, bei dem die Komponenten eines Fußes zusammengefügt werden müssen.

Die nächste Mensch und Computer findet vom 7. bis 10. September 2003 in Stuttgart statt und soll sich unter dem Titel "Interaktion in Bewegung" mit Benutzeroberflächen für Mobilgeräte und Software für Avatar-Kommunikation und M-Commerce befassen. (Detlef Borchers) / (jk)