Menschen sollen Figuren aus Computerspielen emotional akzeptieren
"Wir werden in der Lage sein, mit den Gefühlen der Menschen zu spielen – wir können sie zum Lachen und zum Weinen bringen, wir können sie traurig machen", sagt Spiele-Entwickler Ian Livingstone voraus.
In spätestens zwei Jahren werden die Figuren in Computerspielen täuschend realistische Gesichter tragen, sind sich manche Spiele-Entwickler sicher. Bisher sind sie noch nicht in der Lage, Spielfiguren mit fotorealistischen Gesichtern und vor allem authentisch wirkenden Gesichtsausdrücken zu programmieren. Deshalb befinden sich Computerspiele nach Einschätzung von David Kunkler, Entwickler bei Obsidian Entertainment, zurzeit mitten im so genannten uncanny valley. Der Begriff dieses unheimlichen Tals umschreibt eine Delle in der Akzeptanz menschenähnlicher Figuren bei deren zunehmendem Realismus – jenen verstörenden Bereich, in dem die Wesen zwar irritierend menschlich aussehen und sich auch so verhalten, aber trotzdem erkennbar Kunstfiguren sind. Mit dem gleichen Effekt haben auch Roboter-Prototypen zu kämpfen, die dem Menschen minutiös nachempfunden sind – bis hin zum elektronischen Blinzeln. An solchen Androiden wird vor allem in Japan und Korea gearbeitet.
Aus dem Tal des Gruselns wollen sich die Spielentwickler in den nächsten zwei Jahren aber wieder herausarbeiten, sagte Kunkler gegenüber der wöchentlichen Sendung Digital Planet von BBC World. Seine Hoffnung setzt er dabei auf das Motion-Capture-Verfahren, bei dem Computer Bewegungen von Schauspielern über Sensoren an deren Körper und im Gesicht aufzeichnen – bis hin zu Augenbewegungen und Stirnrunzeln. Wenn die Computerspiel-Charaktere mit Hilfe solcher aufgezeichneten natürlichen Mimik erst einmal den Steilhang am Rand des unheimlichen Tals bezwungen und die Hochebene erreicht haben, auf der Menschen sie für Ihresgleichen hielten, dann werde man "emotionale Inhalte" in Computerspiele bringen, sagt Kunkler voraus. Konkreter wird Ian Livingstone von der Spielefirma Eidos, dem Produzenten der "Tomb Raider"-Serie: "Wir werden in der Lage sein, mit den Gefühlen der Menschen zu spielen – wir können sie zum Lachen und zum Weinen bringen, wir können sie traurig machen."
Dadurch könnten Computerspiele in Zukunft noch mehr nach Hollywood-Kino aussehen wie bisher – aber auch nach der realen Welt. Schon mit der heutigen Technik können Spiele als Training fürs echte Leben eingesetzt werden, etwa zur Therapie von Phobien – Höhenangst stellt sich auch in virtuellen Räumen ein, in die man mit einer 3D-Brille blickt. Figuren aus Computerspielen gehen heute aber noch nicht als vollwertige menschliche Gegenüber durch; emotional schwierige oder reell gefährliche zwischenmenschliche Situationen kann man deshalb bisher nicht am Rechner trainieren. Virtuelle Charaktere, die eine realistische Körpersprache mit allen subtilen Facetten zeigen, würden genau das nach Ansicht einiger Spiele-Entwickler aber durchaus möglich und sinnvoll machen – Professor Alexander Nareyek vom Games Lab der National University von Singapur denkt zum Beispiel an die Vorbereitung von Soldaten auf brenzlige Kommunikationskontakte mit Einheimischen im Irak. (pek)