Transparenz für wissenschaftliches Arbeiten in Zeiten von KI-Tools

Stammt der Text vom Prüfling oder der KI? Ein Start-up aus Köln möchte Arbeitsprozesse für Lehrende transparent machen und KI-Tools dabei nicht verdammen.

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Mensch vor einem Bücherregal am Schreiben einer "längerfristigen" Arbeit, wahrscheinlich in einer Universitätsbibliothek

(Bild: Gorodenkoff/Shutterstock.com)

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Seit KI-Tools niedrigschwellig für Interessierte zugänglich sind, werden Lehrkräfte neu auf die Probe gestellt. Wird eine schriftliche Arbeit vorgelegt, die durch eine längerfristige Fleißarbeit entstanden sein soll, muss genauer hinterfragt werden: Von wem stammt tatsächlich diese Arbeit – und in welchen Teilen? Haben Prüflinge ganz ohne technische Hilfsmittel gearbeitet, haben sie plagiiert, war ein Chatbot der Ghostwriter? Ein junges Start-up namens "Mentafy" will zumindest für Facharbeiten und kürzere wissenschaftliche Arbeiten einen Rahmen bieten, der zu mehr Transparenz führt. Das Start-up stellte heise online sein Angebot auf der diesjährigen Didacta in Köln vor.

Mentafy richtet sich mit seinem Angebot sowohl an Schulen als auch Universitäten und andere Bildungsstätten, die schriftliche Arbeiten in einem Umfang von derzeit 30 bis 40 Seiten als Leistungsnachweis verlangen. Im Bereich der Schulen werden eher höhere Jahrgänge ab der zweiten Hälfte der Sekundarstufe I in den Blick genommen. Damit das Programm seine ganze Kraft entfalten kann, müssen Bildungsstätten als auch Prüflinge dem Verfahren zustimmen (Opt-in) – denn wird Mentafy so genutzt, wie gedacht, protokolliert es die verschiedenen Arbeitsschritte, hilft allerdings auch mit eigenen KI-Tools bei der Arbeit. Was von wem wann und in welcher Form in die Arbeit eingebracht wurde, wird dann genau sichtbar.

Möchten Prüflinge nicht jeden ihrer Arbeitsschritte genau dokumentiert wissen, können sie dies auch verweigern. Lehrende können in diesem Fall dann nur auf statistisch zusammengefasste Informationen zu einer Arbeit zurückgreifen. Auch an diesen soll sich die Plausibilität der Arbeitsweise aber erkennen lassen, erklärte CEO Markus Goldbach heise online. Beispielsweise würde trotzdem sichtbar, wenn immer wieder größere Textblöcke in die Dokumente kopiert werden.

Entscheiden sich Bildungsstätten für den Einsatz von Mentafy, ist allerdings davon auszugehen, dass auf das Opt-in-Verfahren bestanden und dies schriftlich festgehalten wird.

Die Oberfläche von Mentafy unterscheidet sich zunächst nicht groß von gängigen Schreibprogrammen, Chatbots oder auch Recherche-Tools. Dort wird nur alles unter einem Dach zusammengeführt. Es funktioniert browserbasiert, als KI-Tool ist unter seinem Dach unter anderem ChatGPT 4.0 zugänglich. Mittels der integrierten Tools kann schon für die Themenfindung Hilfe in Anspruch genommen werden und auch beim Projektmanagement – also der Zeitplanung und Strukturierung der Arbeit – gibt es Hilfestellungen. Sind Prüflinge mit Problemen konfrontiert und die Tipps der KI helfen auch nicht weiter, können Lehrkräfte eingreifen und der KI auf die Sprünge helfen. Mentafy beschreibt das wie folgt: "Koaktive Interaktion wird ermöglicht durch Einsicht in den Projektfortschritt und die Möglichkeit, das KI-Feedback als Lehrkraft zu individualisieren."

Ziel ist es, den Schreibprozess so zu begleiten, dass Prüflinge lernen, wie richtig wissenschaftlich zitiert und dokumentiert wird oder auch Prompts und Antworten von Chatbots transparent eingearbeitet werden. Quellen werden im sogenannten "Schreibtagebuch" hinterlegt – das können auch Fotos und Sprachnotizen sein. Ist die Arbeit fertig, erhalten Lehrende eine finale Dokumentation zum Arbeitsprozess. So kann die Eigenleistung leichter erkannt werden und auch, welche Kompetenzen bei der KI-Nutzung gezeigt werden. Denn auch das ist ein erklärtes Ziel von Mentafy: Die Arbeit mit KI-Tools soll nicht aus dem wissenschaftlichen Arbeiten ausgeschlossen, sondern gut belegt werden.

Momentan kann Mentafy noch nicht alles, was sich Prüfende vermutlich gerne aus einer Hand wünschen würden: Arbeiten können beispielsweise nicht auf mögliche Plagiate geprüft werden. Dies müsste gerade im Hochschulkontext weiterhin über eine zusätzliche Plagiatserkennungssoftware erfolgen. Damit das Konzept von Mentafy funktioniert, ist überdies eine Internetverbindung notwendig. Das Angebot lebt davon, dass mit stetig aktiver Protokollfunktion gearbeitet werden kann.

Für Prüflinge kann die Software zudem mit ihrer Protokollführung und Mustererkennung zum Problem werden, wenn diese ihre Ideen in anderen Editoren aufschreiben oder aufzeichnen und größere Textblöcke schnell per Copy-and-paste in den Editor von Mentafy einfügen. Das könnte dann nämlich so aussehen, als wäre ein ganzer Textabschnitt schlicht in die Arbeit kopiert worden – woher auch immer. Wer schon einmal eine gute Idee unter der Dusche, in der Straßenbahn oder in einem Wartezimmer hatte und diese schnell in das nächst verfügbare Textfeld geschrieben hat, um das Ergebnis später zu kopieren, sollte sich das schnelle Copy-and-paste besser abgewöhnen. Entweder, man lädt Text- oder Sprachdatei mit entsprechendem Hinweis ordentlich ins Schreibtagebuch oder man tippt den "Heureka-Text" noch einmal frisch in den Editor oder bringt ihn per Audio-zu-Text-Funktion erneut aufs digitale Papier. Sicher ist sicher.

Gegründet wurde Mentafy im Juli 2023 in Köln. Dort fand in diesem Jahr auch die Didacta vom 20. bis zum 24.02. statt. An den fünf Messetagen empfingen circa 740 Aussteller rund 63.000 Besucherinnen und Besucher. 2023 tummelten sich circa 56.000 Menschen auf der Messe, die in Stuttgart stattfand. 2025 zieht die Didacta zieht es die Messe auch wieder dorthin.

(kbe)