Wohlfühl-Audits: Apps sollen Einblick in die Stimmung von Schülern geben

Seelische Erkrankungen sind ein Problem in allen europäischen Schulsystemen. Lehrer in Dänemark nutzen Apps, um die Stimmungslage ihrer Schüler zu erfassen.

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Wie ist die Stimmung in der Klasse? Mit Apps wie Woof will die dänische Regierung ihre Schulkinder aus der psychischen Gesundheitskrise herausholen.

(Bild: Woof)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Arian Khameneh

In einem Kopenhagener Vorort findet in einer fünften Klasse das wöchentliche Kuchenessen statt, das ist Tradition in dänischen öffentlichen Schulen. Während die Kinder Schokoladenkuchen essen, zeigt ihre Lehrerin Henriette Viskum ein Balkendiagramm auf dem Whiteboard. Die Daten sind so angeordnet, dass sie die wöchentliche "Stimmungslandschaft" der Klasse anzeigen.

Diese Art von datengesteuerten Wohlfühl-Audits wird in Dänemarks Klassenzimmern immer häufiger durchgeführt. Die dafür verwendeten Apps sollen helfen, die dänischen Schulkinder aus der tiefen psychischen Gesundheitskrise herauszuholen, in der sie sich gerade befinden.

Innerhalb nur weniger Jahrzehnte hat sich die Zahl der dänischen Kinder und Jugendlichen mit Depressionen mehr als versechsfacht. Und das ist kein rein dänisches Phänomen. In Deutschland hat sich zwischen den Jahren 2000 und 2017 die Anzahl depressiver Kinder unter 15 Jahren laut Statistischem Bundesamt sogar verzehnfacht. Und mit der Pandemie und den damit verbundenen Schulschließungen ist das Problem europaweit regelrecht eskaliert. Eine Meta-Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) zeigt, dass "Kinder und Jugendliche während der Schulschließungen zu 75 Prozent häufiger generelle Depressionssymptome aufwiesen als vor der Pandemie."

Eine der Maßnahmen, mit denen dänische Schulen versuchen, diesen Trend umzukehren, ist der Einsatz von digitalen Plattformen, die die Stimmungslandschaft prüfen. Sie befragen die Schüler regelmäßig zu einer Reihe von Indikatoren für das Wohlbefinden. Über einen Algorithmus schlagen sie dann Themen vor, auf die sich die Klasse konzentrieren soll.

Dieser Text stammt aus MIT Technology Review 6/2023

ChatGPT und Co. stellen infrage, inwiefern die klassische Wissensvermittlung im Klassenzimmer noch sinnvoll ist, wenn eine KI in Zukunft nahezu alles Wissen der Welt innerhalb von Sekunden in geforderter Form liefert. Wie kann Schule darauf reagieren? Dieser Frage geht die neue Ausgabe von MIT Technology Review nach. Highlights aus dem Heft:

Mehrere Hundert Schulen in Dänemark haben solche Plattformen in den Unterricht eingeführt, und inzwischen setzen auch Schulen in Finnland und in Großbritannien Software zur Überwachung der Stimmung ein. Die Schulbehörden in den USA gehen noch weiter und setzen Technologien ein, die über das Sammeln von Selbstberichten hinausgehen: Durch die Überwachung von E-Mails, Chat-Nachrichten und Suchvorgängen auf von der Schule ausgegebenen Geräten suchen sie nach Hinweisen auf bedenkliches Verhalten.

Das Potential sei groß, meinen Experten, aber der Ansatz ruft auch Kritik hervor. Die bezieht sich gleich auf mehrere Faktoren: Es gebe kaum Beweise dafür, dass diese Art der Quantifizierung zur Lösung sozialer Probleme genutzt werden könne und die Datenerfassung sei wenig transparent.

Im Schulalltag schätzen Lehrkräfte die Plattformen. Sie sei einfach nur froh, ein Werkzeug zu haben, das ihr eine allgemeine Vorstellung davon geben könne, was mit den Kindern los sei, sagt eine dänische Lehrerin. Und die Kinder? Die benutzen es gerne, erzählen sie zwischen Whiteboard und Schokokuchen. Besonders gefällt ihnen, wie die App ihnen hilft, netter miteinander zu reden.

(anh)