Microsoft-Managerin schredderte Beweismittel

Um Ermittlungen von Justizbehörden zu behindern, hat eine Microsoft-Managerin verfängliche Korrespondenz beseitigt; die Spuren führen nach Deutschland.

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Von
  • Egbert Meyer

Um Ermittlungen von Justizbehörden zu behindern, hat eine Microsoft-Mitarbeiterin verfängliche Korrespondenz beseitigt. Nach Erkenntnissen der Salt Lake City Tribune befinden sich entsprechende Beweise unter Dokumenten, die bis vor kurzem von einem Bundesgericht in Utah unter Verschluss gehalten wurden. Die Unterlagen des privaten Anti-Trust-Prozesses des DR-DOS-Lizenzinhabers Caldera gegen Microsoft, der mit einer außergerichtlichen Einigung der Parteien endete, sind nun vom Gericht der Salt Lake Tribune, den San Jose Mercury News und dem Wirtschaftsdienstes Bloomberg zugänglich gemacht worden - gegen den erbitterten Widerstand von Microsoft. Darunter befindet sich angeblich auch Material von erheblichem Sprengstoff; die Spuren führen nach Deutschland.

Die Hauptrolle spielt die frühre Microsoft-Managerin Stefanie Reichel, in der Münchener Dependance für OEM-Lizenzen zuständig. Zu ihren Aufgaben gehörte unter anderem die Betreuung der Korrespondenz. Hunderte von EMails pro Monat seien dabei an Mitarbeiter und Kunden verschickt worden. Einige offensichtlich mit kompromittierenden Inhalten. Auf Anweisung ihres Chefs Jürgen Hüls habe sie zwischen 1991 und 1992 eine Reihe "fragwürdiger" EMails löschen müssen, in denen sie "Dinge" entdeckt habe, "die bei einer Untersuchung problematisch" werden könnten. Auch Papierdokumente seien im Reißwolf gelandet.

Dies wäre zu einem späteren Zeitpunkt ein gravierender Verstoß gegen eine Auflage aus einem früheren Kartellverfahren gegen Microsoft gewesen. Der so genannte Consent Decree verpflichtete Microsoft ab 1995 zur Kooperation mit den US-Justizbehörden. In der Folge war es dem Software-Konzern nicht mehr gestattet, Dokumente oder Korrespondenz zu vernichten. Seither stapelten sich in einem Trakt des Microsoft-Campus die Unterlagen.

Allerdings erfolgte die Beseitigung der Dokumente vor Inkraftreten des Consent Decree - zu einer Zeit, in der Microsoft aber bereits Ziel kartellrechtlicher Ermittlungen war. Seit 1990 versuchte die Federal Trade Commission (FTC) Redmond dem Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung bei Betriebssystemen nachzuweisen. PC-Hersteller, die sich um eine Betriebssystemlizenz bewerben, so argwöhnte die Behörde, würden zur Abnahme zusätzlicher Microsoft-Software gezwungen.

Um den Ermittlern der FTC keine zusätzlichen Angriffspunkte zu bieten, habe Hüls, so Reichel in ihren Aussagen, bei einer anstehenden Renovierung der Computer die Festplatten entsorgen lassen. Sie erinnere sich in diesem Zusammenhang an eine Aussage ihres Chefs, der von "Friedhöfen in Ostdeutschland, die niemand kenne" ("graveyards in East Germany that no one knows about"), gesprochen haben soll.

Stefanie Reichel hat ihre Angaben 1998 unter Eid vor Gericht bestätigt. Den Medien zugänglich wurden ihre Aussagen aber erst jetzt. Nach Darstellung der Salt Lake Tribune befinden sie sich unter den Dokumenten, die den Medien vom Gericht übergeben wurden. Den verfänglichen Unterlagen hatte Caldera im Prozess gegen Microsoft ein gewichtige Rolle zugedacht. Denn Stefanie Reichel soll auch eine Schlüsselrolle in einer Auseinandersetzung mit dem deutschen Discounter Vobis gespielt haben.

Der hatte vor rund zehn Jahren Komplettsysteme mit vorinstalliertem DR-DOS angeboten, soll aber auf Intervention von Microsoft wieder auf MS-DOS eingeschwenkt sein. Der Software-Riese, so die Darstellung der Salt Lake Tribune, hatte Vobis "erfolgreich überredet", bereits eingekaufte DR-DOS-Lizenzen nicht mehr zu vertreiben. Der gesamte Restbestand an Echtheits-Siegeln soll schließlich in Redmond gelandet sein und Microsoft-Manager Joachim Kempin, so die Erinnerung der Ex-Managerin, habe mit dem früheren Vobis-Chef Theo Lieven gewitzelt: Er, Kempin, könne sein Büro demnächst mit DR-DOS-Hologrammen tapezieren.

Reichels Aussagen zum damaligen Deal zwischen Vobis und Microsoft werden auch von der US-Autorin Wendy Goldman Rohm gestützt. In ihrem Buch The Microsoft File: The Secret Case Against Bill Gates (Verlag Random House, 1998) bezeichnet sie die namentlich genannte deutsche Microsoft-Managerin als eine Drahtzieherin, die maßgeblich daran beteiligt war, dass Microsoft das eigene Betriebssystem bei Vobis durchpauken konnte. In einem Artikel, der kurz nach Reichels Zeugenaussage von 1998 im Red Herring erschienen war, hatte Wendy Goldman Rohm noch auf eine Namensnennung verzichtet. (em)