Microsoft baut erneut das Windows-Insider-Programm um
Windows Insider soll Microsoft beim Entwickeln neuer Funktionen helfen. Weil das aber nicht so recht klappt, strukturiert Microsoft mal wieder um.
- Günter Born
- Axel Vahldiek
Das Windows-Insider-Programm hob Microsoft im September 2014 aus der Taufe: Seitdem bekommen Teilnehmer Vorabversionen ("Insider-Builds") von Windows 10 zum Testen und melden Abstürze und andere Probleme zurück. Zudem stecken in Insider-Builds umfangreiche Telemetrie-Funktionen, die automatisiert massenhaft Daten an Microsofts Server schicken. Die Teilnahme ist freiwillig, kostenlos und für jedermann möglich, man braucht sich nur unter insider.windows.com zu registrieren.
Um Unternehmensfunktionen vorab zu testen, registriert man sich auf der gleichen Website mit seinem Unternehmenskonto. Microsoft nennt das "Windows Insider for Business". Doch trotz der niedrigen Einstiegshürden geht das Konzept seit Jahren nicht auf.
Zuviele Builds, Rückmeldungen ignoriert
Das hat mehrere Gründe. Einer ist, dass die Teilnehmer zu viele Vorabversionen erhalten. Niemand kann oder will freiwillig im Tages- bis Wochentakt neue Builds installieren und intensiv testen, und das noch über Jahre. Zumal Microsoft die Teilnehmer mitunter demotiviert: Immer mal wieder erhielten Builds neue Funktionen, die später wieder verschwanden, sodass die Beschäftigung damit im Nachhinein reine Zeitverschwendung war.
Obendrein erweist sich der Rückmeldeprozess über den von Microsoft eingerichteten Feedback-Hub als Motivationskiller. Er läuft ausschließlich unter Windows 10 in Form einer App. Vor allem in den letzten zwei Jahren stellte sich heraus, dass Microsoft von Insidern gemeldete Fehler öfters ignoriert. Das gilt sogar für gravierende. Offenbar gehen manche relevante Fehlermeldungen in der schieren Masse unter. Der Feedback-Hub nimmt beliebige Rückmeldungen an, auch zu banalen Fehlern, sowie Vorschläge für neue Funktionen oder optische Anpassungen. Es kam sogar vor, dass Microsoft eine Meldung zur Kenntnis nahm und einen Fix einbaute, der in einem späteren Build wieder herausfiel.
Diese Probleme hatten bereits mehrfach fatale Folgen. Die im Herbst 2018 freigegebene Version 1809 beispielsweise musste Microsoft direkt nach dem Veröffentlichen für sechs Wochen wieder zurückziehen. Ein Bug darin konnte zu Datenverlusten beim Upgrade führen. Peinlich: Das war einer jener Fehler, die Insider vorab gemeldet hatten. Die Nachfolgeversion 1903 vom Frühjahr 2019 wies gleich mehrere im Vorfeld bereits bekannte Bugs auf. Um Schlimmeres zu verhindern, sah sich Microsoft gezwungen, das Einspielen von 1903 auf vielen Systemen erst mal zu blockieren.
Als Microsoft am 28. Mai dieses Jahres die aktuelle Version 2004 freigab, standen 10 bekannte Fehler in der Dokumentation – und das, obwohl die Entwicklung von Version 2004 seit Dezember 2019 eingefroren war. Die Zeit bis zur allgemeinen Freigabe sollte zum Finden und Beseitigen von Fehlern dienen. Doch weil offenbar wieder viele Rückmeldungen versandeten, musste Microsoft das Einspielen von Version 2004 in der ersten Zeit nach der Freigabe selbst auf den hauseigenen Surface-Geräten blockieren.
Neustart
Dass das Insider-Programm nicht optimal läuft, dürfte Microsoft klar sein. Im September 2019 sah es gar so aus, als ob es fünf Jahre nach seiner Gründung sterben würde. Nach dem Weggang von Dona Sarkar, der Verantwortlichen im Windows-Insider-Programm, blieb ihre Position des "Principal Program Manager Lead" über Monate unbesetzt. Erst Ende März 2020 übernahm Amanda Langowski. Damit war klar, dass es doch weitergeht.
Mitte Juni kündigte Microsoft an, das seit dem Bestehen des Programms verwendete Ring-Modell über den Haufen zu werfen. Zur Erinnerung: Anfangs konnten Insider zwischen einem Fast-Ring (mit häufigen, aber unausgereiften Builds) und einem Slow-Ring (mit selteneren, schon stabileren Builds) wählen. Später erfand man zusätzliche Ringe wie Skip Ahead (Builds der übernächsten Version) und Release Preview (Builds kurz vor der allgemeinen Freigabe). Seit Anfang Juli gibt es stattdessen Kanäle: Während die Ringe sich laut Microsoft vor allem durch die Häufigkeit der Builds unterschieden, soll bei den Kanälen die Qualität entscheidend sein.
Es gibt drei Kanäle. Der "Dev Channel" richtet sich an technikaffine Insider. Darin erscheinen Builds, die sich in einem frühen Entwicklungszyklus befinden. Der Dev-Channel ist nicht auf eine bestimmte Windows-10-Version festgelegt. Stattdessen erscheinen welche aus verschiedenen Entwicklungszweigen wie aktuell für die im Herbst 2020 anstehende Version 20H2 und die für Frühjahr 2021 geplante Version 21H1. Der "Dev Channel" ist damit die Spielwiese der Windows-Entwickler.
Im "Beta Channel" erscheinen weiter entwickelte Builds. Gedacht sind sie nicht nur für Enthusiasten, sondern auch für IT-Fachleute, die sich vorab über kommende Funktionen von Windows 10 informieren wollen oder müssen.
Über den "Release Preview Channel" gelangen Insider an im Prinzip fertige, aber noch nicht allgemein freigegebene Builds. Microsoft empfiehlt diesen Kanal Unternehmen zur Vorbereitung auf den Umstieg auf eine neue Version.
Umstellung automatisch
Die Umstellung auf die neuen Kanäle erfolgt bei bestehenden Insider-Installationen automatisch durch Microsoft. Insider brauchen sich also nicht selbst zu kümmern. Doch was im ersten Moment positiv klingen mag, ist in Wirklichkeit eine schlechte Nachricht. Denn dahinter steckt, dass die neuen Kanäle letztlich die alten Ringe sind, die bloß neue Namen tragen. Die angebliche Umstellung von Häufigkeit zu Qualität ist keine. Es war bislang schon so: Die Ringe mit den häufigsten Builds waren die mit der schlechtesten Qualität.
Da Microsoft keine weiteren Änderungen ankündigte, ändert sich am Grundproblem nichts: Solange man sich auf Telemetrie und freiwillige Tester verlässt sowie deren Rückmeldungen öfters ignoriert, werden weiterhin fehlerbehaftete Windows-Versionen erscheinen. Dass Microsoft daran nichts ändert, obwohl die Probleme sich seit Jahren hinziehen, lässt befürchten, dass das Insider-Programm unrettbar kaputt ist.
Es gibt verschiedene Arten von Windows-Updates: Am Patchday in der zweiten Woche jedes Monats erscheinen die kumulativen Sicherheitsupdates, die stets auch alle zuvor erschienenen Updates enthalten. Zudem veröffentlicht Microsoft optionale Updates. Die beheben keine sicherheitskritischen Probleme und werden von Windows auch nicht automatisch eingespielt. Microsoft erhofft sich durch die Veröffentlichung, dass Nutzer und Administratoren diese Updates trotzdem installieren. So will der Konzern anhand der Telemetriedaten erkennen, ob sie Probleme verursachen, denn die enthaltenen Fehlerkorrekturen landen am nächsten Patchday auch in den kumulativen Sicherheitsupdates.
Im Zuge der Coronakrise hatte Microsoft seit Mai 2020 keine optionalen Updates mehr herausgebracht, vor allem um Administratoren zu entlasten. Der Stopp betraf alle aktuellen Windows-Client- und -Server-Versionen. Für Windows 10 und Windows Server ab Version 1809 fließen diese Updates nun wieder.
Ab Juli erscheinen wieder optionale Updates. Sie bekommen einen neuen Namen, wobei die Begründung in der offiziellen Mitteilung geradezu bizarr anmutet: Um klarzustellen, dass diese Updates überprüft und für den Produktiveinsatz geeignet sind, nennt Microsoft sie künftig „Preview“, also Vorschau („In response to feedback, these validated, production-quality optional releases will be now called ,Preview‘ releases for clarity“). Für alle, die bislang ohnehin schon auf das Einspielen dieser Updates verzichtet haben, ändert sich nichts.