Midem: "Musikindustrie hat das Internet gezähmt"
Die Musikindustrie meint, Online-Musikpiraterie und illegalem Musik-Tausch nicht mehr so hilflos gegenüber zu stehen: "Nun muss man zusehen, wie man Geld damit verdienen kann."
Das Zusammenspiel von Musikindustrie und Online-Unternehmen ist eines der beherrschenden Themen auf der diesjährigen Musikmesse Midem in Cannes. Zum Auftakt des weltgrößten Branchentreffs sei eine Tendenz ganz deutlich, sagte Midem-Direktorin Dominique Leguern am heutigen Sonntag: "Die Industrie hat das Internet mittlerweile gezähmt", man stehe Online-Musikpiraterie und illegalem Musik-Austausch nicht mehr so hilflos gegenüber wie im vergangenen Jahr. "Nun muss man zusehen, wie man Geld damit verdienen kann", meinte Leguern laut dpa.
Plattenfirmen und Produzenten hätten erkannt, dass das Internet mehr Chancen als Risiken für den Musikmarkt biete. Dies zeige sich auch daran, dass der Musikriese Bertelsmann nun mit der ungeliebten Tauschbörse Napster zusammenarbeite und der einstige Branchenfeind Nummer eins, der Online-Musik-Dienst MP3.com, mittlerweile ein respektierter Partner der Plattenindustrie sei.
Das frühere Enfant Terrible Michael Robertson, Gründer von MP3.com, durfte dann auch gleich eine Rede auf der Midemnet halten und machte der Industrie Hoffnung, dass man den Musikfans bald eine Art weltweit verfügbaren "Kühlschrank für Musik" zur Verfügung stellen könne – natürlich gegen Zahlung von Gebühren, wie sie MP3.com inzwischen auch für seinen Dienst My.MP3.com erhebt.
Nicht ganz so begeistert dürften zumindest die großen Labels, vor allem die fünf Majors, über die Ansichten einiger Musiker gewesen sein: Das Internet macht Musiker, Komponisten und Songschreiber nach Meinung etwa von Herbie Hancock und Peter Gabriel unabhängiger von Plattenfirmen und eröffnet ihnen eine Vielzahl neuer Möglichkeiten.
Den eintägigen Internet-Musik-Kongress Midemnet, der am gestrigen Samstag stattfand, bezeichnete Leguern insgesamt als "vollen Erfolg". Er habe gezeigt, dass sowohl Musik- als auch Online-Unternehmen von einer Zusammenarbeit profitierten. "Die einen haben den Inhalt, die anderen die Technologie." Die Experten auf der Midemnet versprachen den Musikfans eine schöne neue Welt des globalen Zugriffs auf die eigenen Lieblingssongs per Knopfdruck. Internet, Handys, Mini-Computer und Musik werden nach ihrer Meinung künftig zusammenwachsen und eine Einheit bilden.
Auf der fünftägigen Midem, zu der mehr als 10.000 Fachbesucher erwartet werden, dreht sich aber nicht alles um das Internet. Ein Schwerpunkt liegt auf französischer Musik, die in den vergangenen drei Jahren auch im Ausland sehr erfolgreich gewesen sei, sagte Leguern. Auch der elektronischen Musik ist wieder ein eigener Bereich gewidmet. In Konferenzen und Diskussionsforen diskutieren Experten zudem über Aspekte des Urheberrechts, neue Geschäftsmodelle und technische Entwicklungen. Zahlreiche Künstler geben Live-Konzerte und stellen ihre neuen Alben vor. Insgesamt nehmen mehr als 4.000 Unternehmen und Organisationen an der 35. Midem teil; aus Deutschland sind mehr als 350 Firmen und Musiker dabei.
Bei der Verleihung der NRJ Music Awards wurden nicht nur Madonna, die US-Sängerin Anstacia, der Techno-Musiker Moby und die irsche Band The Corrs ausgezeichnet. Auch die beste Musik-Website wurde prämiert: Dieser Award ging an den französischen Teenie-Star Alizee. Den Preis für den besten Web-Auftritt eines Musikevents erhielt das Berliner Technospektakel Love Parade. (jk)