Energiewende: Habeck will Smart Meter, und zwar pronto

Wirtschaftsminister Habeck will mit einer Gesetzesreform die Markteinführung intelligenter Stromzähler deutlich vereinfachen, beschleunigen und agiler machen.

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Drei klassische Stromzähler
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Seinen Plan für einen Neustart für den Smart-Meter-Rollout in Deutschland hat Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, am Donnerstag bei einer gleichnamigen Veranstaltung des Future Energy Lab der Deutschen Energie-Agentur präsentiert. Mit einem "Smart-Meter-Aufbruchgesetz" will der Grüne demnach einen "verbindlichen Fahrplan" mit klaren Zielen für den Einbau intelligenter Stromzähler in Haushalten und Unternehmen schaffen.

Konkret kündigte Habeck eine Novelle des Messstellenbetriebsgesetzes an. Für die Lagerung und den Transport von Smart-Meter-Gateways (SMGWs), die als sichere Kommunikationseinheit für angeschlossene Zähler dienen, sollen ihm zufolge damit künftig "alle Wege möglich sein, auch der Postweg".

Bisher musste ein Monteur mit einer Hochsicherheitsbox anrücken. Denn der Messstellenbetreiber ist derzeit noch verpflichtet, eine "sichere Lieferkette" für die vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zu zertifizierenden Geräte vom Lager bis zum Verteilerkasten einzuhalten.

"Wir bauen keine [Update] quasi [/Update] militärische Technik ein in unser Energiesystem", begründete der Minister sein Vorhaben. Es bestünden zwar in der Bevölkerung teils Ängste, dass etwa der Staat über ein SMGW auslese, "welches Fernsehprogramm ich gucke". Das wäre anhand der Pixeldichte zwar theoretisch sogar möglich. Die Debatte über "Spionagezähler" mute ihm aber seltsam an, wenn Nutzer gleichzeitig "alle privaten Bilder bei Facebook reinhängen".

Prinzipiell handle es sich bei den Gateways um "hochsichere Geräte", hob Habeck hervor. Da brauche man nicht zu ängstlich sein, dass sie auf dem Weg vom Hersteller zum Einbau manipuliert würden: "Wir müssen uns noch bewegen können." Deutschland habe auf diesem Feld bereits viel Zeit verloren. Trotzdem dürften die Sicherheitsstandards für SMGWs selbst nicht gesenkt werden: Gäbe es erst einmal zwei, drei Beispiele, dass sie gehackt wurden oder Verbraucherdaten abhandengekommen sind, würde das Ganze "über die Wupper gehen".

Künftig solle es ferner "keine großen Verwaltungsakte und Gerichtsverfahren" rund um intelligente Stromzähler mehr geben, verdeutlichte der 53-Jährige. Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht in Münster hatte die ursprüngliche Pflicht zum SMGW-Einbau etwa für Haushalte mit einem Jahresstromverbrauch von über 6000 kWh im März 2021 in einem Eilverfahren gestoppt. Seit Mai kann der Weiterbetrieb vorhandener und das Ausrollen zusätzlicher Gateways aber auf Basis einer BSI-Verwaltungsanordnung fortgesetzt werden.

"Wer loslegen will, soll können", schwebt dem Minister zudem ein gesetzlich verankerter agiler Ansatz vor. Es solle möglich werden, die Technik etwa in Reallaboren zu erproben und "später Updates drauf" zu machen. Zudem werde ausdrücklich die Option zulässig, mehrere Zähler über ein Gateway zu bündeln und so etwa gemeinsam auszulesen. Insgesamt werde das System so effizienter und erlaube es, nachhaltigere Modelle der Nutzung zu entwickeln. Der Referentenentwurf sei im Haus abgestimmt und dürfte im November in die erste Koordinationsrunde mit den anderen Ressorts gehen und damit auch öffentlich werden.

Es sei generell nicht akzeptabel, dass es mit dem Aufbruch bei intelligenten Zählern nicht vorangehe, meinte Habeck. Es gelte, die Hürden wegzuräumen, ohne das Vertrauen der Bürger, Versorger und der Community zu gefährden. Der Verbraucher sollte Vorteile haben, wenn er "in der Stunde, wo der Wind weht", seine Wäsche wäscht. Ferner müsse es möglich sein, etwa E-Autos ins Stromnetz einzubinden durch bidirektionales Laden.

Digitale Systeme sind dem Minister zufolge nötig, da die mit der Energiewende und den Erneuerbaren hinzukommenden vielen Netzteilnehmer nicht mehr händisch betreut werden könnten. Alles spreche dafür, "jetzt wirklich voranzukommen". Das Modell funktioniere aber erst, wenn Nutzer die Möglichkeit hätten, über dynamische Tarife Geld zu sparen und Geräte flexibel zu steuern.

Der BMW i3 könne Strom auch ins Gebäude oder ins Netz zurückspeisen, brachte Xaver Pfab, Projektleiter bei dem bayerischen Autobauer, ein Beispiel für die vielbeschworene neue Flexibilität auf der Nachfrageseite. Über eine App lasse sich der Energiefluss leicht kontrollieren. So sei es möglich, über die Autobatterie einen Durchschnittshaushalt zwei Tage lang mit Strom zu versorgen. Das müsse man den Kunden im Großen und Ganzen gar nicht mehr erklären: "Wir haben Anfragen weltweit."

Einfach machen, lautet das Motto bei der Hausheld AG. Der Dienstleister für den Betrieb intelligenter Messsysteme arbeitet laut Vorstand Bouke Stoffelsma an einem "Voll-Rollout mit mehreren Stadtwerken". Dabei kämen "alle alten Zähler raus", straßenweise würden ganze Stadtteile mit neuen, BSI-zertifizierten Geräten bestückt. 100 schaffe ein Monteur pro Woche. Technisch handle es sich um eine 1:n-Lösung: "Wir nutzen ein Gateway für viele Zähler, die sich über ein Mesh-Netzwerk verbinden."

Peter Heuell von EMH metering bestätigte, dass solche Messeinrichtungen mit Funkmodul der Stand der Technik seien. Darüber könne man nicht nur alle Kunden in einem Mehrfamilienhaus anbinden, sondern auch Wärme- und Wasserzähler anschließen. Auch wenn der Ausbau in den vergangenen Jahren nicht einfach gewesen sei, "sind wir online in fünf Städten im Moment", freute sich Stoffelsma. "Die Leute finden das gut", beschrieb er die Reaktionen. "Sie möchten wissen, was sie für einen Strom verbrauchen und die Energiewende machen."

Auch für die Stadtwerke sei es ein Gewinn, wenn sie jeden Monat vor Augen hätten, was sie verbrauchen. Oft sind bei ihnen veraltete Abrechnungssysteme im Einsatz, die mit digitaler Echtzeitmessung nichts am Hut haben.

Aktuell gebe es bei der Netze BW rund 600.000 potenzielle Anwendungsfälle für SMGWs, berichtete Arkadius Jarek, Leiter des Zählermanagements bei der EnBW-Tochter. Pro Jahr kämen etwa 42.000 Anmeldungen für Photovoltaik-Anlagen, 20.000 Wärmepumpen und 30.000 Wallboxen für E-Fahrzeuge hinzu. Am besten wäre es, vor die Welle zu kommen und bis 2030 allen Haushalten ein intelligentes Messsystem zur Verfügung zu stellen, um bis zu 100 Prozent erneuerbare Energien aufnehmen zu können. Flexible Tarife gebe es schon: "Das ist für uns mittlerweile Standard."

"Die Hersteller wollen loslegen", versicherte Wolfgang Weber, Vorsitzender der Geschäftsführung des Elektronik- und Digitalverbands ZVEI. Falls nötig, entwickelten sie neben den Geräten auch selbst Geschäftsmodelle für einen flexiblen Strommarkt. Die Vorteile der Elektrifizierung lägen auf der Hand. Auch den Verteilnetzbetreibern liege daran, "möglichst viel Intelligenz in die Netze mit hineinzubekommen für die Steuerung". Dann kämen auch die darauf basierenden Anwendungen. Die aktuelle Situation der hohen Energiepreise müsse genutzt werden, um den Rollout hinzubekommen. Wichtig sei es aber, mit denen anzufangen, "die am meisten Last bringen".

Auch Andrees Gentzsch, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), warb für einen Stufenprozess, ohne von heute auf morgen ganze Städte mit SMGWs auszurüsten. "Die Dinger" seien zwar alternativlos wegen der Erneuerbaren, erst müssten aber Regeln festgelegt werden für die Steuerbarkeit, um das System besser fahren zu können.

"Im besten Falle könnte ich ein Smart-Meter-Gateway selbst einbauen", warb Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (bne), für eine weitgehende Deregulierung. Es reiche prinzipiell, eine Ansteckplatte vorzugeben, in die der Verbraucher sein SMGW vom Elektromarkt einfach einklinke. Momentan sei Deutschland auf diesem Feld mal wieder Komplexitätsweltmeister. Stoffelsma hielt dagegen, dass man mit dem Gateway schon recht nah am Kraftwerk sei. Es brauche einen Monteur, der das Gerät prüfe und verplombe.

Konnektoren fürs Gesundheitswesen und SMGWs gebe es "nur im deutschen Markt", warnte auch Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des IT-Verbands Bitkom, vor zu viel Komplexität. Es wäre zwar wünschenswert, wenn internationale Akteure aufsprängen. Diese entwickelten aber keine spezifischen Angebote nur für ein Land. Die Politik müsse sich daher entscheiden, ob sie Energie sparen oder Wirtschaftsförderung für eine Branche betreiben wolle, die Spezialgeräte baut. Zudem fehlten vielen noch die Anreize, solche Module zu installieren.

Laut den gerade veröffentlichten Ergebnissen einer repräsentativen Umfrage im Bitkom-Auftrag wüssten 88 Prozent der Deutschen gern auf einen Blick, wie hoch ihr Energieverbrauch gerade ist und wo sie noch sparen können. 78 Prozent wünschen sich dazu in ihrer Wohnung beziehungsweise Haus einen intelligenten Stromzähler.

Update 24. 10. 2022: Übertragungsfehler in Habeck-Zitat korrigiert.

Update

Der ursprüngliche Artikel wurde durch einen ausführlicheren Text ersetzt.

(ds)