Missing Link: Der 3D-Drucker, oder: die industrielle Revolution, die nicht stattfand

Seite 2: Das Auf und Ab der revolutionären Techniken

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Im Jahr 1842 schrieb die Computerpionierin Lady Ada Lovelace, bei neuen Technologien könne man immer wieder feststellen, auf eine Phase überzogener Erwartungen folge eine Phase der Ernüchterung. Damit hatte die Britin die Grundidee des "Hype-Zyklus" vorweggenommen, ein Konzept, das auf Jackie Fenn, Mitarbeiterin der Unternehmensberatung Gartner, zurückgeht: Auf einen "technologischen Auslöser" folge rasch eine Euphorie, auf dessen "Gipfel der überzogenen Erwartungen" der fraglichen Innovation ungeahnte Marktpotenziale und geradezu wundersame Eigenschaften angedichtet werden.

Bald wird dieser Höhenflug jedoch von einem jähen Absturz ins "Tal der Enttäuschungen" abgelöst – die Blase platzt, Ernüchterung tritt ein und das Publikum wendet sich größtenteils ab. In einer dritten Phase, auf dem "Pfad der Erleuchtung" beginnen dann reale Anwendungen am Markt zu reüssieren und erobern sich ihren Platz in der Technologie-Landschaft. Auf dem "Plateau der Produktivität" angelangt kehrt schließlich Alltag ein: Die Technologie ist ins business as usual integriert.

Auch beim 3D-Drucker ließ sich dieser Zyklus exemplarisch beobachten. Bei der Prototypenherstellung, in der Flugzeug- und Raumfahrtindustrie haben die Geräte mittlerweile, allerdings meist in deutlich teurerer Variante, ihre professionelle Nische gefunden. Auch die Druckgeschwindigkeit hat sich gegenüber 2014 verdoppelt und auch die Größe der möglichen Modelle zugenommen.

Der Sportschuhhersteller Nike ist dabei und lässt Sohlen aus dem 3D-Drucker herstellen, Boeing und Airbus lassen – in der Flugzeugproduktion handelt es sich ja streng genommen um Kleinserien – z.B. Rotorblätter produzieren – allesamt nicht gerade Fab-Labs, sondern globale Konzerne.

Die große Industrie, gegen die sich die Revolution einst richtete, beobachtete die neuen Technologien zunächst, um sie dann einzukaufen, anzupassen, und überall da, wo es passte, in bestehende Betriebsabläufe zu integrieren. Gleichzeitig kündigt sich schon der nächste Hype an, diesmal mit Schwerpunkt auf Metalldruck und bionischen, also von der Natur abgeschauten Modellen.

Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. So erfuhren die hochfliegenden Hoffnungen rund um die gesellschaftsverändernde Kraft des 3D-Drucks neuen Auftrieb durch das 2017 veröffentlichtes Manifest #digitallinks - 10 Punkte für eine digitale Agenda des digitalisierungsfreundlichen Flügels der Partei Die Linke um Katja Kipping und Anke Domscheid-Berg. Zum 3D-Druck heißt es in dem Positionspapier: "3D-Druck ermöglicht eine dezentrale Produktion auf Basis digitaler Modelle. Solche Modelle gibt es vielfach mit einer offenen Lizenz, frei nutzbar für alle mit Zugang zum Internet. […] Die leichte Verfügbarkeit bietet eine große Chance zur Demokratisierung der Produktion durch die Demokratisierung des Eigentums an Produktionsmitteln. […] Schon heute werden in verschiedenen Ländern nicht nur Werkzeuge, Ersatzteile, Fahrzeuge und alle Arten Gegenstände, sondern selbst Häuser gedruckt, deren Herstellung mittels 3DDruck viel preiswerter und viel schneller ist."

Nicht nur Häuser, auch Organe könnten gedruckt werden, und damit das Problem langer Wartelisten für Organspenden gelöst werden, und dergleichen mehr. Es handelt sich um geradezu rührendes Beispiel für einen Soluzionismus von links. Als "solutionism" bezeichnet der amerikanische Autor Morozov diejenige Haltung, die für jedes gesellschaftliche Problem eine technische Lösung parat hält – was insbesondere dem Silicon Valley oft vorgeworfen wird.

Es scheint auch eine linke Variante davon zu geben, es muss nur die "richtige" Technologie sein: "Kommunismus – das ist 3D-Drucker plus CreativeCommons-Lizenzen" möchte man (in Anlehnung an Lenins berühmtes Diktum "Kommunismus – das ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes") ausrufen angesichts solcher Phantasien.

Dabei wusste schon Marx, dass es keine gute oder schlechte Technologie gibt, bzw. dass noch jede im Rahmen kapitalistischer Verhältnisse entwickelte und verwendete Technologie zu einem Instrument ebendieser Verhältnisse wird. Hoffnungen auf befreiende Potenziale der Technik selbst erteilte er eine klare Absage, was ihn nicht daran hinderte, die technologische Innovationsfähigkeit des Kapitals zu bewundern. Wollen wir gesellschaftliche Veränderung, müssen wir die Gesellschaft verändern, Technologien werden uns diesen Job nicht abnehmen. Anders ausgedrückt: Die Revolution wird nicht aus dem 3D-Drucker kommen.

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(jk)