Missing Link: Polizeidatenbanken – Datenerfassung im Wirrwarr

Seite 3: Dauer und Art der Informationsspeicherung

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Manche Datenbanken, so etwa KLAUS und GeopolisK in Rheinland-Pfalz, dienen der Lagedarstellung und enthalten gar keine personenbezogenen Daten, so die Pressestelle. In Rheinland-Pfalz heißt das Landessystem zum Fahndungssystem INPOL POLIS und enthält Daten zu Personen und Sachen, die zur Gefahrenabwehr, vor allem zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist. Das sind etwa Informationen zu Straftaten einzelner Personen, und ob diese Personen zum Beispiel erkennungsdienstlich behandelt oder zur Fahndung ausgeschrieben sind. Die Erfassung richtet sich nach den DKpS-Richtlinien (Führung Digitaler Kriminalpolizeilicher personenbezogener Sammlungen und Dateien bei der Polizei Rheinland-Pfalz) und den Rahmenrichtlinien für den Kriminalaktennachweis (KAN) des Bundes.

KRISTAL wiederum dient der Sammlung, Auswertung und Zusammenführung von Informationen zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, zur vorbeugenden Bekämpfung und zur Aufklärung von Straftaten insbesondere mit internationaler, länderübergreifender oder erheblicher Bedeutung und ist in der GEA für das Verfahren geregelt. Es gibt Fristen für die Speicherung von Daten in den diesen Systemen, sie sind in den GEA geregelt.

Auch in Baden-Württemberg richtet sich die Dauer der Speicherung personenbezogener Daten unter anderem nach dem Polizeigesetz, hier natürlich dem in Baden-Württemberg. Dies unterscheidet nicht nur verschiedene Speicherzwecke wie Dokumentation, Gefahrenabwehr, Störungsbeseitigung, Schutz privater Rechte, vorbeugende Straftatenbekämpfung, sondern auch Personenrollen wie Störer, Zeuge oder Hinweisgeber. Die Speicherdauer wird "nach Gesamtbetrachtung", so die Pressestelle, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften festgelegt. Dabei wird "systemseitig sicherstellt, dass eine gesetzliche Höchstdauer nicht überschritten werden kann. Unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen kann bei Erreichen der Aussonderungsprüffrist die Speicherung verlängert werden, der Grund dafür muss dokumentiert werden."

In manchen Ländern erledigt ein Dienstleister die Datenverarbeitung und die Daten liegen dann aber bei einer Polizeibehörde, so läuft es zum Beispiel mit dem LZPD in NRW. Und in Berlin wird das Verfahren Poliks als eines von ganz wenigen Verfahren vom ITDZ gehostet.

Bei der Berliner Polizei werden die Daten unter dem Dach von Poliks gespeichert. Oliver Knecht: "Wir liefern und empfangen Daten auf Bundesebene. Es gibt einen Datenaustausch zu verschiedenen Dienstbereichen im Rahmen der Tätigkeiten, wenn es denn erforderlich ist. Tatsache ist, dass das Volumen insgesamt sehr groß ist, wir sind eine der größten Länderpolizeien. Wir haben hier in der Regel pro Jahr eine halbe Million Straftaten." Petra Löffler: "… Und eine Million Vorgänge in Poliks." Und die Löschung? Petra Löffler: "Die grobe Richtung ist, dass wir personenbezogene Daten von Tatverdächtigen entsprechend der Prüffristenverordnung fünf oder zehn Jahre aufbewahren, je nach Schwere des Delikts. Und dann wird es noch mal untergliedert: So gelten unterschiedliche Fristen für Erwachsene, Jugendliche oder Kinder. Das alles ergibt sich aus der Prüffristenverordnung. Das gesamte Fristen- und Löschkonzept basiert auf diesen rechtlichen Grundlagen. Das ist auch implementiert und automatisiert. Für jede Datenbank, für jedes Einzelverfahren, das wir betreiben, gelten rechtliche Grundlagen, und diese sind zwingend in eine Errichtungsanordnung einzuleiten."

Um auf die Suche nach Rebecca Reusch zurückzukommen: Laut einem Bericht des rbb war die Erfassung des Wagens bloß ein Zufallsfund. In Warschau hatte eine Konferenz stattgefunden, die Anlagen sollten der Terrorabwehr dienen. Bei der Brandenburgischen Polizei war man "stinksauer", dass die Existenz und Möglichkeiten von KESY öffentlich wurden. – Die Frage ist allerdings, ob im Normalbetrieb die erfassten Kennzeichen, die nicht auf Fahndungslisten stehen, tatsächlich sofort wieder gelöscht werden.

Zweck und Ziel von PIAV und Polizei 2020 sind unter anderem eine bessere Verfügbarkeit von Daten, die dadurch erreicht werden soll, dass Datenbanken Schnittstellen zu einander haben und man Daten untereinander austauschen kann. Aber das ist natürlich auch jetzt schon möglich.

Das BKA ist nicht nur die Zentralstelle der deutschen Polizei, sondern bildet auch die Verbindung zwischen deutschen und internationalen Polizeibehörden. Damit ein nationaler sowie ein internationaler Polizeiverbund funktioniert, sind Schnittstellen für den Datenaustausch und -abgleich vorgesehen, so die Pressestelle: "So werden u.a. beim SIS die entsprechenden deutschen Personen- und Sachfahndungsdaten (INPOL-Verbund) via N.SIS (Nationales SIS) an die C.SIS (Zentrale SIS) in Straßburg übermittelt und somit den Mitgliedstaaten des SIS zur Verfügung gestellt. Weiterhin werden deutsche Daten entsprechend den gesetzlichen Regelungen für weitere Stellen (u.a. Europol, Interpol, eu-LISA) bereitgestellt, aktualisiert und gemäß den Löschvorgaben wieder gelöscht. Auf nationaler Ebene werden natürlich basierend auf den gesetzlichen Regelungen Daten innerhalb des INPOL-Verbundes, also zwischen den daran beteiligten Stellen, ausgetauscht."

Auch in den Ländern gibt es jetzt schon zahlreiche Schnittstellen. Zum Beispiel hat das Bremer System @rtus Schnittstellen zu PIER und INPOL Land. Und in Rheinland-Pfalz bestehen aus POLADIS Schnittstellen zu den Anwendungen KLAUS, GeopolisK, POLIS sowie zu KRISTAL. In Niedersachsen hofft man dagegen auf das Programm Polizei 2020. Denn, so die Pressestelle, die unterschiedlichen zentralen und dezentralen Systeme und Datenbanken der Polizeien von Bund und Ländern "sind untereinander häufig nur eingeschränkt kompatibel und nur in Teilen mittels Schnittstellen verbunden. Ein automatisierter Datenaustausch ist somit nur eingeschränkt und unter den jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen möglich."

Die Berliner Polizei liefert wie die anderen Länder auch dem BKA zu, auch weil dieses die Schnittstelle zum Europäischen Informationsverbund ist. Nicht nur organisatorisch und rechtlich, sondern auch technisch werden die Systeme um Schnittstellen ergänzt. So wird das System der Berliner Polizei, Poliks, ständig erweitert. Petra Löffler zählt auf: "Ursprünglich sind wir mit einem Auskunftsystem, mit der Vorgangsbearbeitung, einem Rechercheteil und einem Anfragemodul für das Bundeszentralregister gestartet. Das sind einzelne Plug-ins oder Applikationen, die unter dem Dach Poliks zusammengefasst sind. Sie sind inzwischen erweitert worden und es gibt deutlich mehr Module, die zur Poliks-Familie gehören. Wir bedienen zum Beispiel auch die DNA-Datenbank des Bundes aus Poliks heraus mit einem eigenen Plug-in. Und selbstverständlich wird Inpol auch aus Poliks heraus bestückt."

Die Art der Datenverarbeitung ist modern: "Einmal-Erfassung, und die erforderlichen Daten werden nach Inpol übermittelt. Und genauso auch umgekehrt. Wir sind gehalten, bestimmte Daten voll-parallel zu halten und andere teil-parallel. Fahndungen werden zum Beispiel voll-parallel gehalten, damit auch im Fall einer Unterbrechung der Verbindung zwischen Land und Bund in den einzelnen Ländern gefahndet werden kann oder Flüchtige erkannt werden können." Eine Fahndung ist innerhalb von Sekunden bundesweit über den sogenannten Nachrichtenaustausch verteilt, man sieht sie Sekunden später in INPOL. Das ist nicht bei allen Daten so: "Teil-parallel wären zum Beispiel Erkennungsdienstliche Daten. Da haben wir nur den Zugriff auf unsere eigenen ED-Daten, wir haben sozusagen nur sie bei uns im System. Wenn wir da Informationen von anderen Bundesländern haben wollten, müssten wir sie beim BKA anfragen."

An Polizeidatenbanken wird immer wieder grundsätzliche Kritik geübt, berechtigterweise oder nicht: etwa, weil nach der Einstellung eines Ermittlungsverfahren Daten nicht gelöscht werden, weil Einträge auch mal ungerechtfertigt sind – als ein polizeiliches Versehen oder als Zufallsfund –, weil etwas Falsches gespeichert wird oder weil Behörden, und sei es nur aus Personalmangel, nicht immer, wie bei Erwachsenen vorgeschrieben, alle zehn Jahre überprüfen, ob Einträge noch gerechtfertigt und erforderlich sind.

Dazu kommt die gesetzliche Lage, die der frühere Richter am Bundesverwaltungsgericht Professor Dr. Kurt Graulich beschreibt: Erst hat der Bund im Jahr 2008 das BKAG zu dem am weitesten entwickelten Polizeigesetz in Deutschland gemacht. "Es ist insbesondere eine Antwort auf die vielfältigen Facetten einer zunehmend digitalisierten Kommunikation eingestellt. Oftmals hat der Bund rechtliche Überwachungsinstitute im Polizeirecht sogar eher normiert als in der Strafprozessordnung (StPO)." Und nun ziehen die Länder nach: Viele Polizeigesetze werden aktuell verschärft.

Bedenklich an der ganzen Angelegenheit ist der Eindruck, dass die Gesetzesänderungen schärfer sind als notwendig. So hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die im BKAG enthaltenen heimlichen Überwachungsbefugnisse in einem Urteil vom 20. April 2016 überprüft und umfangreiche Verstöße gegen den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz festgestellt und viele Nachbesserungen verlangt.

Und die Gesetzgebungskompetenz für das Polizeirecht liegt zwar grundsätzlich bei den Ländern, schreibt Graulich, aber der Bund habe seit 2006 eine legislatorische Zuständigkeit zur "Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalpolizeiamt". Und die Überwachungsinstitute können auch auf nicht-terroristische Bedrohungen angewandt werden. Das gilt auch für die nachziehenden Länder: Einen "Sprung in die Alltagskriminalität", nennt der frühere FDP-Politiker Gerhart Baum im DLF es in Bezug auf das besonders scharfe bayerische Polizeigesetz.