Grundannahme widerlegt: KI findet Muster bei FingerabdrĂĽcken einer Person
Stand der Forensik ist, dass sich die FingerabdrĂĽcke etwa des Mittel- und Zeigefingers einer Person nicht einander zuordnen lassen. Das hat eine KI widerlegt.
Abdrücke verschiedener Finger einer einzelnen Person sind doch nicht so einzigartig, dass sie einander nicht zugeordnet werden können. Das hat eine Forschungsgruppe der Columbia University in New York mit KI-Unterstützung herausgefunden und eine fundamentale Annahme der Forensik widerlegt. Bis dahin war es aber ein schwieriger Weg, erklärt das Forschungsteam: Mehrfach sei die Veröffentlichung des Fachartikels von renommierten Zeitschriften abgelehnt worden, weil die für die Freigabe verantwortlichen Prüfer oder Prüferinnen den Befund für ausgeschlossen hielten. Dabei könnte die Erkenntnis dabei helfen, Verbindungen zwischen Kriminalfällen herzustellen, bei denen eine Person Abdrücke unterschiedlicher Finger hinterlassen hat. Bislang konnten die einander nicht zugeordnet werden.
Je mehr Trainingsmaterial, desto höher die Trefferrate
Wie die Universität ausführt, hat das Team um den Computerwissenschaftler Gabe Guo für die Analyse eine Datenbank der US-Regierung benutzt, in der 60.000 Fingerabdrücke abgespeichert sind. Mit Paaren von Abdrücken derselben Person sowie von zwei verschiedenen Menschen wurde dann eine spezielle KI-Technik trainiert. Im Laufe der Zeit sei es der KI schließlich gelungen, mit einer Erfolgsrate von 77 Prozent auch bei unbekannten Paaren anzugeben, ob Fingerabdrücke einer Person gehörten. Und das, obwohl das laut forensischem Fachwissen überhaupt nicht möglich sein sollte. Sobald die KI mehrere Fingerabdruckpaare ein und derselben Person vorgesetzt bekommen habe, sei die Erfolgsrate noch einmal deutlich gestiegen.
Nach den ermutigenden Ergebnissen hat das Team der KI-Technik immer mehr Trainingsdaten geliefert und die sei immer besser geworden. Parallel dazu hätten sie versucht, die Entdeckung in einem Fachmagazin für Forensik zu veröffentlichen. Eine der anonymen Prüfer habe das aber abgelehnt und erklärt, "es ist allgemein bekannt, dass jeder Fingerabdruck einzigartig ist". Nach einer Überarbeitung sei die Arbeit erneut abgelehnt worden, aber man habe nicht aufgegeben, der Fund sei zu wichtig, um ignoriert zu werden. Immerhin könnte die Information dabei helfen, ungeklärte Kriminalfälle aufzuklären. Zwar gesteht das Team ein, dass die Treffsicherheit nicht hoch genug ist, um alleine eine Entscheidung zu ermöglichen. Aber sie könnte dabei helfen, Hinweise zu priorisieren.
Untersucht hat die Gruppe außerdem, welche Informationen die KI-Technik auswertet, die der Forensik offenbar seit Jahrzehnten entgangen ist. Herausgefunden hat sie, dass sich die Technik – anders als die traditionelle Forensik – nicht auf die sogenannten Minuzien konzentriert. Das sind Endungen und Verzweigungen der Rillen. Stattdessen vergleicht sie offenbar Winkel und Krümmungen der Wirbel und Schleifen in der Mitte des Fingerabdrucks. Das Team geht nun davon aus, dass die Erfolgsrate noch einmal deutlich gesteigert werden kann, wenn die Technik nicht mit einigen zehntausend, sondern Millionen Fingerabdrücken trainiert wird. Zudem gebe es Hinweise dafür, dass die Technik unabhängig vom Geschlecht und der Ethnie der Personen vergleichbar gut funktioniert.
Die nach einigem Hin und Her nun in Science Advances erscheinende Arbeit zeige, dass selbst eine vergleichsweise simple KI-Technik mit einem einfachen Datenschatz, der seit Jahren herumliegt, Erkenntnisse liefern kann, die Experten seit Jahrzehnten entgangen sind. Noch einmal spannender sei, dass ein Student ohne forensisches Fachwissen mit KI-Technik eine grundlegende Annahme einer ganzen Forschungsrichtung entkräften könne. KI-Technik werde eine Explosion an Entdeckungen liefern und die Forschungsgemeinschaft müsse sich darauf vorbereiten. Die Annahme, dass KI-Technik keine neuen Entdeckungen liefern kann, sei damit jedenfalls entkräftet.
Der Anfang wurde umformuliert, um deutlicher zu machen, dass es um AbdrĂĽcke verschiedener Finger einer Person geht.
(mho)