Ali, Brandt und 9/11: Magnum-Fotograf Thomas Höpker wird 80
Nicht nur dokumentieren, sondern verändern - das ist die Devise von Thomas Höpker. Am 10. Juni feiert der bekannte Magnum-Fotograf seinen 80. Geburtstag. Hier der Versuch der Einordnung seiner Arbeit und was sie so besonders macht.
- Andreas Th. Fischer
Thomas Höpker ist einer der bekanntesten Vertreter der sogenannten Concerned Photography – einer heute etwas aus der Mode gekommenen Dokumentarfotografie, bei der es auch um Mitgefühl und um das Schicksal der gezeigten Menschen geht. Beispiel Flüchtlingskatstrophe in Idomeni: Als dort im März Tausende Flüchtlinge versuchten, einen nahen Grenzfluss zu überqueren, wurden die anwesenden Fotografen massiv kritisiert. Sie wurden als "Zyniker" oder "bestellte Fotografen" dargestellt. Kontakte zu einer angeblichen "Helfer-Szene" wurden unterstellt. Fotografen, die Probleme auf der Welt zeigen, die leidende Menschen nicht ausblenden und die durch ihre Fotos etwas bewegen wollen, müssen heute um ihren Ruf bangen. Nicht das gezeigte Leid wird kritisiert, sondern der Fotograf, der es abbildet.
Das war nicht immer so. Thomas Höpker ist einer der bekanntesten deutschen Pressefotografen. Er hat eine Hungersnot in Indien fotografiert, aber auch Willy Brandt auf Wahlkampftour begleitet. Weithin bekannt wurde er für seine Fotos von Muhammad Ali und dem Terroranschlag am 11. September 2001 in New York. Thomas Höpker war Fotograf für den Stern, als dieser noch große Bildreportagen veröffentlichte. Er war außerdem der erste deutsche Fotograf, der von der elitären Foto-Agentur Magnum aufgenommen wurde. Von 2003 bis 2007 war er sogar ihr Präsident.
Höpker hat viele Katastrophen und Ereignisse auf der Welt fotografiert, aber er war nie Kriegsfotograf. Bereits als Vierzehnjähriger hat er mit dem Fotografieren begonnen. Zunächst war er noch an unbelebten Objekten interessiert, aber bald konzentrierte er sich auf Menschen. Mit den Paparazzi heutiger Zeit hat er nichts gemein. Auch an Schockfotos war er nie interessiert. Viel wichtiger sind ihm bis heute die politischen und historischen Dimensionen seiner Fotos.
Fotografen, die sich kümmern
Der Concerned Photographer findet vieles unakzeptabel und versucht, es zu ändern. "Unser Ziel ist es, die Welt wissen zu lassen, warum etwas nicht akzeptiert werden kann”, beschrieb Cornell Capa (1918 - 2008) die Motivation des "betroffenen Fotografen". Dieser wolle die Welt erziehen und ändern, nicht nur einfach dokumentieren. Cornell Capa war der Bruder des bekannten Pressefotografen Robert Capa, der unter anderem mit Henri Cartier-Bresson die Agentur Magnum mitgründete und 1954 in Indochina durch eine Mine getötet wurde.
(Bild: © Wanderlust - 60 Years of Images by Thomas Hoepker, published by teNeues, www.teneues.com. MUHAMMAD ALI, 1964-73, Photo © 2014 Thomas Hoepker/Magnum Photos. All rights reserved. )
Gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk bekräftigte Thomas Höpker den von Cornell Capa beschriebenen Anspruch: "Wir versuchen das aufrecht zu erhalten und auch mit großem Erfolg. Das ist nach wie vor ein Thema für uns: Wir kümmern uns um die Dritte Welt, um unterprivilegierte Menschen." Ob Fotografie die Welt wirklich ändern kann, ist jedoch umstritten. Höpker selbst war sich zuletzt nicht mehr sicher. Dem Deutschlandradio sagte er vor zwei Jahren, dass er aber trotzdem glaube, dass die Welt ohne eine Fotografie, die sich um die Schattenseiten kümmert, ärmer wäre.
Das digitale Zeitalter
Wie sieht ein Fotograf, der aus einer anderen Zeit zu stammen scheint, die heutige Situation der Fotografen? Die Digitalisierung hat das Berufsfeld in den vergangenen Jahrzehnten enorm verändert. Der Druck auf Pressefotografen, die von diesem Beruf heute noch leben wollen, ist stark gestiegen. Nicht nur die Preise sind im Keller, auch der Konkurrenzdruck hat erheblich zugenommen.
(Bild: © Wanderlust - 60 Years of Images by Thomas Hoepker, published by teNeues, www.teneues.com. ANTARCTICA, 1964-73, Photo © 2014 Thomas Hoepker/Magnum Photos. All rights reserved. )
Ist die Digitalisierung also eher ein Fluch oder ein Segen für die professionelle Pressefotografie? Thomas Höpker fotografiert nach eigener Aussage bereits seit etwa 20 Jahren nur noch digital und weint den Zeiten der Dunkelkammer nicht nach. Gegenüber c't Fotografie Online sagte er: "Wie viele Nächte und Tage habe ich im Dunkeln verbracht, statt mit der Kamera über der Schulter durch die Welt zu gehen! Heute kann ich mich darauf konzentrieren, neue Bilder zu machen."
Höpker sieht die Veränderungen durch die Digitalisierung also durchaus positiv. "Am Abend eines ereignisvollen Tages kann ich noch im Hotelzimmer meine Auswahl treffen, misslungene Bilder in den Trash werfen, gute Bilder kann ich optimieren, also Belichtungs- und Farb-Korrekturen machen, und sofort an meinen Kunden online abschicken", beschreibt Höpker seine Arbeitsweise. Allerdings verleiten digitale Kameras seiner Ansicht nach dazu, "viele Bilder zu machen, statt in Ruhe auf den entscheidenden Moment zu warten". Höpker: "Ein wirklich gutes Foto aus der Umwelt zu schneiden, ist immer noch genau so schwer und man muss Geduld, aber auch Glück haben."
Karriere als Fotograf auch heute noch möglich
Jungen Menschen rät er nicht ab, den Beruf des Fotografen zu ergreifen. Er schränkt allerdings ein, dass "es immer schwer war, eine Karriere als Fotograf zu machen". Es sei heute immerhin "einfacher, die Bilder unter die Leute zu bringen". Da gebe es im Internet unendlich viele Möglichkeiten. "Ob und wie man dabei gutes Geld verdienen kann, ist eine andere Sache. Da muss man sehr flexibel sein", so Höpker. Heute gebe es mehr Fotosammler, die bereit seien, zum Teil sehr hohe Preise zu zahlen. Fotodrucke von Thomas Höpker gibt es nur in limitierten Auflagen, bei denen der Preis steigt, wenn die Auflage dem Ende zugeht.
Die Veränderungen betreffen aber nicht nur ihn selbst, sondern auch die Agentur, die er in den vergangenen Jahrzehnten entscheidend mitgeprägt hat. Magnum gehe es immer noch gut, "weil wir sehr gute, flexible und sehr begabte Fotografen haben und jedes Jahr ein paar neue junge Fotografen aufnehmen". Aber auch Magnum müsse sich immer wieder neu erfinden: "So wie wir immer Neues sehen und mit der Kamera kommentieren."
Heute wird Thomas Höpker, der immer noch voller Tatendrang ist und um die Welt reist, achtzig Jahre alt. (keh)