Mitarbeiter bei Amazon.com wollen Gewerkschaft gründen

Mit den Pleiten unter den Dot.Coms kehrt nicht nur bei den Anlegern Ernüchterung ein: Mitarbeiter von Amazon.com versuchen zurzeit, eine Gewerkschaft zu gründen.

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Von
  • Angela Meyer

Mit den Pleiten unter den Dot.Coms kehrt nicht nur bei Unternehmern und Anlegern Ernüchterung ein: Mitarbeiter von Amazon.com in Seattle versuchen zurzeit, eine Gewerkschaft zu gründen. In den USA erfüllen die dort firmenbezogenen Gewerkschaften eine ähnliche Funktion wie die Betriebsräte in Deutschland. In ihrer Erklärung fordern die Initiatoren unter anderem die Anerkennung ihrer Verdienste und mehr Sicherheit.

Konkret wollen die Kundendienstmitarbeiter Garantien, dass Amazons Expansion in billigere Arbeitsmärkte nicht zu Entlassungen im Stammsitz in Seattle führt. Bestehende vertragliche Verpflichtungen zu Überstunden und kurzfristige Änderungen der Schichtzeiten werden abgelehnt und Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten gefordert. Von der Euphorie, die Jeff Bezos als Kopf der großen Amazonfamilie verbreitet, ist in dem Text der Initiatoren nicht viel zu spüren. Unterstützung erhalten die Mitarbeiter von WashTech, der Washington Alliance of Technology Workers, die ihrerseits der Dachorganisation Communications Workers of America angehört.

Die für das Geschäft besonders wichtige Vorweihnachtszeit könnte ein günstiger Zeitpunkt sein, um Forderungen durchzusetzen. Andererseits sind nach mindestens 130 Pleiten von US-Internetunternehmen in diesem Jahr entsprechend viele potenzielle Ersatzkräfte arbeitslos. Damit die Initiatoren eine Gewerkschaftswahl oder gleich die direkte Anerkennung der Gewerkschaft durch das Unternehmen fordern können, muss die Mehrheit der Angestellten den Aufruf unterschreiben.

"Das ist nicht das erste Mal, dass sie versuchen, sich zu organisieren", sagte die Amazon-Sprecherin Patty Smith gegenüber CNN. Ein ähnlicher Ansatz vor einem Jahr war gescheitert. "Wir haben keine Gewerkschaften bei Amazon und wir brauchen sie auch wirklich nicht. Jeder Angestellte ist ein Eigentümer bei Amazon, denn er besitzt Aktienanteile und kann jederzeit Fragen oder Sorgen zu seinem Arbeitsplatz ansprechen", erklärte Smith weiter. Die Aktienanteile für Mitarbeiter sollen allerdings nicht nur Rechte sichern, sondern auch das Einkommen entsprechend erhöhen. Laut CNN erhalten die Kundendienstmitarbeiter einen Stundenlohn von zehn bis elf US-Dollar. Die möglichen Zugewinne aus dem Aktienanteil halten sich zurzeit wieder in Grenzen: Der Kurs, der vor einem Jahr auf über 100 US-Dollar geklettert war, liegt derzeit wieder bei etwa 30 US-Dollar – wie auch schon im Dezember 1998.

In den USA wäre Amazon.com unter den Dot.coms auch bei der Etablierung von Gewerkschaften ein Vorreiter. Beim deutschen Ableger des Online-Kaufhauses sieht man die Entwicklung ganz gelassen: "Wir haben bereits seit zwei Jahren Betriebsräte, die anders als in den USA hier ganz klar gesetzlich vorgeschrieben sind", meint Amazon.de-Sprecher André Schirmer gegenüber heise online. Wenn dieser Anlauf in Seattle jetzt Erfolg haben sollte, würde in den USA nur eine grundsätzlich sinnvolle Entwicklung vollzogen, die anderswo ganz selbstverständlich sei. Die Angestellten könnten als Miteigentümer zwar auch in den turnusmäßigen Mitarbeiterversammlungen von den Geschäftsführern Rede und Antwort verlangen, aber "sollte es zu unplanmäßigen Entwicklungen kommen, ist es sicherlich gut, wenn auch Vertretungen organisiert sind". (anm)