Mobilfunk: Brüssel will mehr Wettbewerb beim Roaming

EU-Kommissarin Neelie Kroes will dem mangelnden Wettbewerb beim Roaming mit einer Öffnung des Marktes für neue Anbieter begegnen und auch die Verbraucherpreise für Datennutzung im EU-Ausland regulieren.

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Die EU-Kommission will mit strukturellen Eingriffen in den europäischen Mobilfunkmarkt für mehr Wettbewerb insbesondere beim Roaming sorgen. Die für die Digitale Agenda zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes stellte am Mittwoch in Brüssel ihren Plan für eine Öffnung des Roaming-Marktes und weitere Regulierungsmaßnahmen vor. Seit Einführung der Roaming-Regulierung seien die Gebühren für Handynutzung im EU-Ausland zwar gesunken, sagte Kroes, aber der gewünschte Wettbewerb habe sich nicht eingestellt. "Wir haben erkennen müssen, dass sich der Markt nicht bewegt hat."

Mit den 2007 eingeführten und seither im Jahrestakt gesenkten Obergrenzen für Kundenpreise beim EU-Roaming hatte die EU-Kommission gehofft, dass der Wettbewerb der Netzbetreiber zu neuen Angeboten unterhalb des regulierten Preisniveaus führen würde. Stattdessen ist der sogenannte EU-Tarif noch heute in der Regel der günstigste Tarif, wenn man im Urlaub nur ein paar kurze Gespräche führen will. Der als Obergrenze gedachte sogenannten "Eurotarif" ist zum Sockeltarif geworden.

Kroes will das Problem nun "an der Wurzel" angehen: dem mangelnden Wettbewerb. Dafür plant die Kommission, den Roaming-Markt zu öffnen. Brüssel will die Netzbetreiber zwingen, ihre Netze zu regulierten Bedingungen für andere Anbieter zu öffnen. Damit könnten zum Beispiel auf Roaming spezialisierte virtuelle Netzbetreiber (MVNO) entstehen. Der Kunde soll sich vor seinem Auslandsaufenthalt dann für einen Anbieter entscheiden und sich auch mit seiner SIM-Karte in dessen Netz einbuchen können.

Zwar haben die europäischen Mobilfunkanbieter miteinander Roaming-Abkommen, doch bleiben die Netzbetreiber dabei in der Regel unter sich. Der fehlende Wettbewerb führe dazu, dass die Netzbetreiber mit "erheblichen Aufschlägen" im Roaminggeschäft weiter "ungeheuerliche Margen" erwirtschaften könnten, kritisierte Kroes. Bevor ihr Vorschlag in eine bindende EU-Verordnung umgesetzt werden kann, müssen das Europäische Parlament und die Mitgliedsländer zustimmen. Schon bei der Einführung der 2012 auslaufenden Roaming-Verordnung hatte Kroes' Vorgängerin Viviane Reding mit heftigem Widerstand aus einigen Mitgliedsländern zu kämpfen.

Bis die vorgeschlagenen strukturellen Maßnahmen greifen, will die Kommission die Preisregulierung im Roaming bis 2022 fortschreiben. Dabei soll es erstmals auch beim Datenroaming Vorgaben für den Verbraucherpreis geben, bisher hat Brüssel hier nur die Großhandelspreise reguliert. Demnach soll der Preis für ein Megabyte ab Juli 2012 maximal 90 Cent (zzgl. die landesübliche Mehrwertsteuer) betragen dürfen und in den zwei folgenden Jahren um jeweils 20 Cent sinken. Zunächst bis 2016 soll dann der Preis von 50 Cent (plus MwSt.) gelten. Brüssel versteht diese Preise als Obergrenze und setzt auf den Wettbewerb, günstigere Tarife hervorzubringen. Zumindest die deutschen Netzbetreiber haben inzwischen verschiedene Auslands-Datenpakete im Angebot.

Auch die Preise für Sprachverbindungen und SMS will die Kommission wie erwartet weiter senken. Anfang des Monats war die neue Preisstufe des Eurotarifs in Kraft getreten, derzufolge abgehende Anrufe im EU-Ausland maximal 35 Cent (plus MwSt.) pro Minute kosten dürfen, während ankommende Gespräche und SMS mit 11 Cent (plus MwSt.) berechnet werden. Bis 2014 soll das stufenweise auf 24 Cent (plus MwSt.) beziehungsweise 10 Cent (plus MwSt.) gesenkt werden.

[Update: Der IT-Branchenverband Bitkom kritisierte gegenüber der dpa den Brüsseler Vorschlag als "scharfe Markteingriffe". Die Preise beim grenzüberschreitenden Datenverkehr seien auch ohne Preisregulierung Jahr für Jahr gefallen, argumentiert der Verband. In die gleiche Kerbe schlägt der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM). "Eine Regulierung von Datenroaming ist nicht erforderlich, da die Mobilfunkanbieter zum Beispiel in Deutschland bereits heute die von der EU-Kommission vorgeschlagene Preisobergrenze von 49 Cent pro Megabyte je nach Tarif um bis zu 80 Prozent unterschreiten", erklärte VATM-Chef Grützner.

Der Verband der internationalen Mobilfunkbranche GSMA begrüßte den Ansatz der Kommission, für mehr Wettbewerb zu sorgen, und will den Vorschlag genau prüfen. Allerdings zeigte sich der Verband enttäuscht, dass Kroes auch Vorgaben für die Verbraucherpreise beim Datenroaming machen will. Deutsche Branchenvertreter warnen – wie zuletzt bei jedem regulatorischen Eingriff – vor Konsequenzen für die Breitbandpläne der Bundesregierung. Die Netzbetreiber müssten zugleich in den kommenden Jahren zweistellige Milliardenbeträge in den Ausbau der Hochgeschwindigkeitsnetze investieren, heißt es beim Bitkom. "Jetzt dem Markt hohe Summen zu entziehen, gefährdet die Ziele beim Breitbandausbau."] (vbr)