Moratorium für Neuregelung der TK-Überwachung gefordert

Daten- und Verbraucherschützer sowie die betroffenen Unternehmen protestieren heftig gegen die Überwachungsparagraphen des Telekommunikationsgesetzes.

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Die Bundesregierung und der Bundesrat handelten sich auf einer Anhörung zur Novellierung des Telekommunikationsgesetz (TKG) lautstarke Kritik zu ihren Überwachungsanforderungen ein. Daten- und Verbraucherschützer sowie die geladenen Telekommunikationsfirmen protestierten geschlossen gegen die umfangreichen Schnüffelbestimmungen, die bis zur Forderung der Bundesländer nach der sechsmonatigen Speicherung aller TK-Daten der Nutzer reichen.

Derlei Ansinnen seien "nachdrücklich abzulehnen", betonte Wolf Osthaus vom Branchenverband Bitkom. Es handele sich um "datenschutzrechtlich höchst bedenkliche" Maßnahmen, deren Umsetzung "für die Unternehmen Mehrbelastungen in mehrstelliger Millionenhöhe bedeuten würde". Mit einem solchen "Hemmschuh" werde die "ordnungspolitisch wünschenswerte dynamische Weiterentwicklung der Telekommunikationsdienstleistungen, der neuen Medien und des E-Commerce in Deutschland gefährdet", während der Nutzen für die öffentliche Sicherheit kaum messbar sei.

Konkrete Zahlen legte die Deutsche Telekom für ihre Töchter vor: "Allein eine Vorratsdatenspeicherung von sechs Monaten würde bei der T-Com und der T-Mobile Investitionen in Höhe von 180 Millionen Euro sowie jährliche Mehrkosten von weiteren etwa 40 Millionen Euro verursachen", heißt es in einer Stellungnahme des Konzern. Diese Kostenbelastung sei "nicht hinnehmbar", zumal der Regierungsentwurf für das TKG eine Finanzierungsübernahme durch den Staat bisher nicht vorsehe. Die hohen Summen müssten daher "letztlich auf den Endverbraucher abgewälzt werden".

Kaum ein gutes Haar am Themenkomplex Datenschutz und öffentliche Sicherheit im TKG ließ ferner Alexander Dix, Landesdatenschutzbeauftragter in Brandenburg. Seine Kritik richtete sich hauptsächlich gegen die Ausweitung der Speicherung der TK-Daten, die geplante Identifikationspflicht beim Erwerb von Prepaid-Handys sowie dem von der Bundesregierung geforderten leichteren Zugriff von Sicherheitsbehörden auf Passwörter, PINs oder vergleichbare Zugangsberechtigungen. Gerade die Begehrlichkeiten der Länder verschöben das Grundrecht auf freie und unbeobachtete Kommunikation allein zu Gunsten der Belange der Strafverfolger und Geheimdienste.

Einen Schritt weiter geht Spiros Simitis, Professor an der Forschungsstelle für Datenschutz an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt in einer schriftlichen Stellungnahme. Seiner Meinung nach müssen die Sicherheitsabschnitte im TKG "gründlich überarbeitet werden", falls sich der Gesetzgeber nicht dem Vorwurf aussetzen wolle, "verfassungswidrige Vorschriften" hingenommen zu haben.

Simitis, Dix sowie der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar und mehrere Branchenverbände dringen nun darauf, die datenschutzrelevanten Teile aus dem TKG-Entwurf auszuklammern und im Rahmen der von Rot-Grün auf die lange Bank geschobenen grundsätzlichen Modernisierung des Datenschutzrechts oder des Mediendatenschutzes zu behandeln. Einen entsprechenden Vorschlag hat der medienpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Jörg Tauss, bereits in die TKG-Debatte eingebracht. "Wir sind für ein Moratorium", erklärte auch Salomon Grünberg von der Initiative Europäische Netzbetreiber. Für die Sicherheitsauflagen müsse man sich "Ruhe und Zeit nehmen". Eile gebieten die europäischen Rahmenrichtlinien, die der deutsche Gesetzgeber mit dem TKG umzusetzen gedenkt, in diesem Punkt nicht: Darin geht es allein um die Marktregulierung, nicht um Überwachungsfragen. (Stefan Krempl) / (jk)