Münchner Sicherheitskonferenz: Rüstungskontrolle in Zeiten des Cyberwar

Klassische Abrüstungskontrolle zählt Sprengköpfe. Wie Cyberwaffen kontrolliert werden sollen, dazu fehlen noch die Rezepte und die Verbote.

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(Bild: Serg001/Shutterstock.com)

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Von
  • Monika Ermert
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In einer der nächtlichen Runden der Münchner Sicherheitskonferenz widmeten sich ein US-Außenpolitiker, eine Friedensnobelpreisträgerin und eine Wissenschaftlerin den Fragen der Abrüstungskontrolle, auch für den Cyberspace. Das Fazit der Experten: Um der Rüstungskontrolle für digitale Waffen auf die Sprünge zu helfen, bedarf es noch einer Menge öffentlichen Drucks.

Die klassische Rüstungskontrolle hat ihre fortgeschriebenen Verträge und eingeschliffenen Werkzeuge. Die SALT- und START-Verträge zwischen Russland und den USA hätten, anfangs noch auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, für eine massive Reduktion von Sprengköpfen gesorgt, versicherte der demokratische US-Senator Christopher Coons in München. An die Fortsetzung weiterer Verhandlungen über "New START" ist in der aktuellen Krisensituation freilich nicht zu denken.

Auch die Bemühungen von Regierungen und Aktivisten für die Umsetzung des UN-Atomwaffenverbotsvertrages sind teilweise vergebens. Mitte 2022 starten in Wien Verhandlungen über nächste Ziele des vor einem Jahr in Kraft getretenen Vertrages, der bislang von keiner der neun Atommächte unterschrieben wurde.

Dennoch sehe man erste Effekte des Vertrages, versichert Beatrice Fihn, Generaldirektorin der International Campaign to ban Nuclear Weapons (ICAN). ICAN wurde 2017 für sein Engagement mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Eine der Wirkungen: Der New Yorker Stadtrat zieht 250 Milliarden Dollar aus seinen Rentenanlagefonds von Atomwaffenherstellern ab.

Während über den weiteren Abbau nuklearer Sprengköpfe gestritten wird, wachsen die Arsenale an Cyberwaffen. Eine Militarisierung der Technologie sei auf dem Vormarsch, bilanzierte Allison Pytlak von der Women’s International League for Peace and Freedom Anfang des Jahres. Der aktuelle Ukraine-Konflikt liefert neues Anschauungsmaterial für parallel zum Truppenaufmarsch eingesetzte Cyberattacken.

Abrüstungsexpertin Renata Dwan, Vizedirektorin des britischen Think Tank Chatham House, verwies auf die vielen Schwierigkeiten, die Cyberwaffen für Abrüstungs- und Proliferationskontrolle mit sich bringen. Anders als bei Personenminen oder nukleare Sprengköpfe handele es sich um Dual-Use-Technologie und um Waffen, die nicht direkt tödlich sind.

Die immaterielle Natur mache zudem das in der Abrüstungskontrolle praktizierte Zählen von Trägern oder Gefechtsköpfen obsolet und man stehe unter anderem vor der Frage: "Wie reguliert man einen Algorithmus", so Dwan. Die extreme Verletzlichkeit von Staaten gegenüber Cyberattacken werde am Ende der Einstiegspunkt in mögliche "Abrüstungsdiskussionen" sein. Ein weiterer Angelpunkt könnte die Vorhersagbarkeit der Effekte und die Rechenschaftspflicht sein: "Noch ist man ja nicht sicher, dass sich ein Drohnenschwarm nicht plötzlich gegen die eigene Seite wendet", sagte Dwan.

Geregelt werden müssten daher in etwaigen Verträgen nach Ansicht von Dwan daher nicht die Werkzeuge, sondern eher das Verhalten. Es sei möglich, so die Irin, dass dabei auch die letzte Bastion reiner Regierungsverhandlungen falle. Denn bei Verhandlungen über die Nutzung von Algorithmen oder Software als Angriffswaffe seien Experten der jeweiligen Firmen unverzichtbar.

Einen Versuch, Schranken für die Art und Weise der Nutzung von IT-Technologie für Staaten zu setzen, stellen 11 bei der UN von Mitgliedsstaaten erarbeitete "Normen für verantwortliches Staatenverhalten im Cyberspace". Die drei darin vereinbarten Verbote betreffen den Verzicht auf den Angriff kritischer Infrastrukturen und der CERTs anderer Staaten, sowie die Selbstverpflichtung, Angriffe auf andere Staaten vom eigenen Staatsgebiet aus zu schützen.

Die 11 "Normen für verantwortliches Staatenverhalten im Cyberspace": Verzicht auf den Angriff kritischer Infrastrukturen und CERTs anderer Staaten, Selbstverpflichtung zum Schutz vor Angriffen auf andere Staaten vom eigenen Staatsgebiet aus.

(Bild: UN)

Ex-Google Chef Eric Schmidt bestätigte in einer von vielen Militärvertretern besuchten Nachtsitzung der Sicherheitskonferenz, die Geheimhaltung sei ein großes Problem für Verhandlungen. Schmidt entwarf in der Sitzung dystopische Vorstellungen von AI-Maschinen, die künftig wegen ihrer Gefährlichkeit "hinter Stacheldraht und wie Plutonium bewacht würden."

Der Zwang zur sekundenschnellen Entscheidung wird dabei, wenn man Schmidt glaubt, ein Treiber für automatisierte Waffensysteme und auch wenn das Militär die Technologien nur langsam einführen, warf er das Szenario von automatisch getriggerten Gegenschlägen schon mal an die Wand.

Ein Verbot vollständig automatisierter Waffensysteme soll zwar ab diesem Jahr bei den UN ausgehandelt werden und der UN-Generalsekretär vergisst in keiner Rede, die Technologiethemen auch nur streift, seinen Aufruf zum Verbot von Killerrobotern. Doch als es im Dezember um die Mandatierung von Vertragsverhandlungen für ein solches Verbot ging, versagten eine Reihe von Staaten ihre Zustimmung, allen voran die USA und Russland.

Coons, der an den geheimen Unterrichtungen der US-Generäle über die US-Waffenarsenale teilnimmt, erklärte in München, ein Verbot automatisierter Waffen sei schwierig. Im Briefing-Raum mit den Generälen müsse man sich als Politiker fragen lassen, ob man es verantworten wolle, dass die russische oder chinesische Seite automatisierte Waffen habe, man selbst aber nicht und deshalb den Schlag gegen die eigenen Truppen hinnehmen müsse. Coons unterstrich, Bewegung in Richtung von Schranken oder Verboten könnte nur durch öffentlichen Druck entstehen.

Auch die Abkommen gegen Anti-Personenminen und für ein totales Atomwaffenverbot wären ohne Nichtregierungsorganisationen und Verhandlungen außerhalb der offiziellen UN-Kanäle nicht zustande gekommen, bestätigte Fihn. Sie setze daher große Hoffnungen auf Initiativen wie die StopKillerRobots. StopKillerRobots, dem 180 Mitgliedsorganisationen in 65 Ländern angehören, arbeitet seit 2012, um das KI-Wettrüsten einzuschränken. Solange es kein Verbot gibt, braucht man auch nicht zu zählen.

Ein Versuch, die Regeln einzelner Staaten zu Cyberwaffen zu überwachen, ist diese Seite der UN.

(tiw)