Musik-Tauschbörse Napster bleibt vorerst am Netz

Die Musik-Tauschbörse Napster kämpft vor dem Berufungsgericht des 9. US-Justizbezirks in San Francisco um ihr Überleben - vorerst darf sie ihre Dienste aber weiter anbieten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 96 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Jürgen Kuri

Die Musik-Tauschbörse Napster kämpft vor dem Berufungsgericht des 9. US-Justizbezirks in San Francisco um ihr Überleben. Bei Prozessbeginn am gestrigen Montag forderte der einflussreiche Verband der US-Musikindustrie (RIAA), die sofortige Schließung der Tauschbörse wegen Verletzung des Urheberrechts. Dies wies das dreiköpfige Richtergremium jedoch vorerst zurück und vertagte die Verhandlung nach der Anhörung erst einmal. Die einstweilige Verfügung, die Richterin Marilyn Hall Patel im Juli erlassen hatte und die erst in letzter Minute ausgesetzt wurde, zogen die Richter allerdings in Zweifel: Patel hatte Napster angewiesen, die Server vom Netz zu nehmen. Die Berufungsrichter wollen prüfen, ob Patel mit dem Beschluss, Napster müsse seine Dienste ganz einstellen, nicht zu weit gegangen ist.

Napster-Anwalt David Boies bestritt in seiner 20-minütigen Erklärung, dass die Internetfirma die Urheberrechte systematisch verletzte. Er verglich die Napster-Technologie mit einem Videorekorder, mit dem man auch ohne Probleme mit dem Urheberrecht Aufnahmen für den persönlichen Gebrauch machen könne. Die Anwälte der Musikindustrie warfen Napster dagegen vor, die Webseite einzig und allein zum illegalen Austausch von Musikstücken geschaffen zu haben. Andere Firmen hätten im Wettbewerb keine Chance, solange Napster die Musikstücke verschenke.

Die Richter ließen die Argumentation von Napster-Anwalt Boies allerdings nicht ganz ungeschoren: Sie stellten die Frage in den Raum, ob die Beziehung von Napster zu seinen Nutzern nicht viel direkter sei als das Verhältnis eines Videorekorder-Herstellers zu den Käufern der Geräte. Beide Seiten in dem Verfahren messen dem Vergleich mit Videorekordern große Bedeutung zu: Nach dem Audio Home Recording Act und diversen Gerichts-Entscheidungen in den USA (etwa dem so genannten Betamax-Urteil) kann ein Hersteller von elektronischen Geräten, die zu normalem legalen Gebrauch vorgesehen sind, nicht dafür verantwortlich gemacht werden, wenn mit ihnen auch Verletzungen des Urheberrechts möglich sind. Die Musikindustrie sieht aber Napster in einer ganz anderen Position wie etwa die Hersteller von Videorekordern – diese Ansicht stützen etwa auch das Copyright Office und das Patent and Trademark Office der US-Behörden, die den Gerichtsentscheidungen und dem Audio Home Recording Act für Napster keine Gültigkeit zumessen. Napster sieht das natürlich anders – und erhält wiederum Unterstützung von einigen Organisationen der Medien- und Internet-Branche, die das Gesetz gerade auf solche Tauschbörsen angewendet sehen wollen.

Die Richter stellten aber auch die Argumentation der RIAA-Anwälte teilweise in Frage. Die Musikindustrie fordert etwa, dass Napster kontrollieren muss, was über den Dienst ausgetauscht wird – was dem Richtergremium aber wohl als nicht durchführbar erscheint. Zudem halten sie es offensichtlich für unrealistisch, eine juristische Entscheidung herbeizuführen, die jede einzelne mögliche Urheberrechtsverletzung und damit jeden eventuell illegal über Napster getauschten Song aufführt.

Wie sich das Berufungsgericht letztlich entscheidet, ist momentan noch nicht abzusehen: Im einfachsten Fall könnten sie das Verfahren an die vorherige Instanz zurück verweisen. US-Beobachter gehen aber davon aus, dass das Berufungsgericht selbst zu einer Entscheidung kommen will – einen Zeitplan dafür gibt es aber nicht. Bis zum abschließenden Urteil kann Napster seine Dienste auf jeden Fall weiter anbieten.

Siehe dazu auch Napster bleibt vorerst online in Telepolis. (jk)