Napster erhält Unterstützung aus Elektronik- und Medienbranche

Die MP3-Tauschbörse Napster darf sich in der juristischen Auseinandersetzung mit der amerikanischen Plattenindustrie über neue Unterstützer freuen.

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Von
  • Jürgen Kuri

Die MP3-Tauschbörse Napster darf sich in der juristischen Auseinandersetzung mit der amerikanischen Plattenindustrie über neue Unterstützer freuen. Die Consumer Electronics Association (CEA), die Digital Media Association (DiMA) und die NetCoalition haben beim Berufungsgericht des 9. US-Justizbezirks Dokumente eingereicht, die zu der Klage der Vereinigung der amerikanischen Musikindustrie (RIAA) und der einstweiligen Verfügung, die ein kalifornisches Gericht gegen Napster erlassen hatte, Stellung nehmen. Das Berufungsgericht hatte die einstweilige Verfügung der Richterin Marilyn Hall Patel außer Vollzug gesetzt, bis endgültig über die Klage der RIAA entschieden ist.

Die CEA ist eine US-Vereinigung, zu der so gut wie alle Firmen aus der Hightech- und Elektronik-Branche gehören. In der DiMA sind vor allem Unternehmen zusammengeschlossen, die Medieninhalte und entsprechend Software und Infrastruktur im Internet anbieten, darunter etwa Liquid Audio, RealNetworks, CDNow, EMusic oder der Online-Buchladen Barnesandnoble.com. Die NetCoalition schließlich ist ein Zusammenschluss aus Providern und Dienstleistern, darunter Yahoo, eBay, Lycos, Inktomi oder Excite@Home.

Pikanterweise sind in den Vereinigungen, die so genannte amicus-Schriftsätze eingereicht haben, die dem Gericht bei der Entscheidungsfindung durch Stellungnahmen nicht direkt involvierter Parteien helfen sollen, auch beispielsweise AOL oder Sony Electronics vertreten. AOL wiederum ist durch die geplante Fusion mit Time Warner und damit mit Time Warner Music/EMI indirekt an der Klage der RIAA beteiligt – ebenso wie Sony Electronics durch die Abteilung Sony Music des Mutterkonzerns. Und Sony-Vizechef Steve Heckler hatte gerade ein radikales Vorgehen des Konzerns gegen Napster angekündigt. Zudem hat an Barnesandnoble.com schließlich auch Bertelsmann einen Anteil von 40 Prozent. Ganz ungetrübte Freude dürfte aber auch bei Napster angesichts der unerwarteten Unterstützung nicht aufkommen: Denn so richtig wollen sich die Industrieverbände nicht auf die Seite der MP3-Tauschbörse schlagen.

Die Statements beziehen sich vor allem auf die Verteidigungsstrategie von Napster, die den Dienst mit Videorekordern vergleicht, die auch zum illegalen Kopieren von Filmen eingesetzt werden könnten, trotzdem aber nicht verboten seien. Die Richterin hatte das Argument verworfen, da interne Dokumente von Napster zeigten, die Firma habe ihre Software vor allem geschaffen, um Copyright-Verletzungen zu provozieren, und sei von vornherein davon ausgegangen, dass Anwender durch die Nutzung der MP3-Tauschbörse das Recht brechen würden.

Die Industrievereinigungen werfen der Richterin nun vor allem vor, dass sie Copyright-Gesetze falsch angewandt habe, die eigentlich Techniken schützten, die auch für Anwendungen eingesetzt werden könnten, die keine Gesetze verletzten. So sei schließlich der Verkauf und die Nutzung von Videorekordern tatsächlich rechtmässig, auch wenn sie für illegale Kopien von Filmen missbraucht werden könnten. Die Entscheidung von Patel dagegen, die Technik von Napster grundsätzlich als rechtwidrig zu erklären, könne die Entwicklung bei der gesamten Technik, die für Verbraucher gedacht sei, gefährden. Die DiMA etwa wirft Patel vor, sie sei nicht den juristischen Standards gefolgt, die das oberste US-Bundesgericht in den Entscheidungen zu Videorekordern (speziell im Streit um Sony/Betamax) gesetzt habe. Stattdessen habe das Bezirksgericht neue Festlegungen über die Legalität von Technologie getroffen. Diese hinderten, falls sie zum Präzedenzfall würden, die DiMA-Mitglieder daran, neue Angebote und Produkte auf den Markt zu bringen, die Verbraucher befähigten, Musik und andere urheberrechtlich geschützten Werke dem Recht gemäß zu genießen.

Das Bezirksgericht habe vor allem die Herangehensweise des obersten Bundesgerichts verworfen, nach der eine Technik danach zu beurteilen sei, ob sie grundsätzlich für Anwendungen eingesetzt werden könne, die das Recht nicht verletzen. Stattdessen habe die Richterin Kriterien wie "überwiegender Gebrauch" und "Absicht des Erfinders" eingeführt, die für das oberste Bundesgericht bei der Beurteilung von Technologien keine Rolle spielten. Außerdem benutze sie eine künstliche Trennung zwischen Technik-Produkten und -Dienstleistungen und habe daraufhin eine Verpflichtung zur Copyright-Überwachung für digitale Dienstleister postuliert.

Die Verbände sehen in dieser Herangehensweise offensichtlich die Gefahr, dass jeder Internet-Anbieter und Service-Provider in Zukunft, würde die Entscheidung von Patel zur vorherrschenden juristischen Ansicht, für Copyright-Verletzungen seiner Kunden verantwortlich gemacht werden könnte. Die Branchen-Lobbyisten sähen aber lieber die Entscheidung des obersten Bundesgerichts auf solche Dienste angewandt, nach der es, wie im Beispiel der Videorekorder, nicht darauf ankomme, ob eine Technik auch für illegale Nutzung eingesetzt werden könne. Eine Technik könne man nicht verbieten, wenn sie dem Recht gemäß eingesetzt werden könne. Ein Hersteller ist danach nicht dafür verantwortlich, wenn seine Produkte rechtswidrige Nutzung erfahren. Es gebe andere Wege, üble Burschen und illegale Nutzung zu verfolgen, als eine bestimmte Technik von vornherein zu verbieten, meinte ein Sprecher der DiMA. Das wichtigste aber sei, dass man dem Gesetz folgen müsse. Die Richterin aber habe die juristischen Standards verzerrt.

Die Industrievereinigungen erklärten allerdings unisono, dass sie sich mit ihren Schriftsätzen nicht etwa auf die Seite von Napster schlagen wollten – sie würden bei der Entscheidung, ob Napster am Netz bleiben dürfe oder nicht, eine neutrale Position einnehmen. Allerdings wollten sie darauf hinweisen, dass nicht nur das endgültige Urteil in dem Verfahren eine Rolle spiele, sondern auch die damit einhergende juristische Begründung der Entscheidung. (jk)