NASA-Sonde Dart: Kollision hat Asteroiden Dimorphos wohl komplett verformt

Simulationen und Beobachtungen legen nahe, dass der Asteroid Dimorphos einem "Trümmerhaufen" gleicht. Der Einschlag der Dart-Sonde habe ihn verformt.

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Zwei Kugeln mit kleinen Punkten und riesigen Trümmerfächern

Simulation des Einschlags

(Bild: © Sabina Raducan)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Holland

Als die NASA-Sonde Dart mit dem Asteroiden Dimorphos kollidiert ist, hat sie wahrscheinlich keinen Krater geschlagen, sondern den Himmelskörper komplett verformt. Das legen Simulationen nahe, die ein Forschungsteam der Universität Bern durchgeführt hat. Die Ergebnisse der seit Jahrzehnten entwickelten und validierten Software weisen darauf hin, dass der Asteroid eine Art "Trümmerhaufen" ist, der vor allem durch dessen schwache Schwerkraft und weniger durch die Kohäsionskraft zusammengehalten wird. Als die Sonde mit ihm kollidiert ist, könnte ein Krater entstanden sein, der immer weiter gewachsen ist, bis er schließlich den gesamten Himmelskörper umfasst hat. Ob das sich tatsächlich so abgespielt hat, soll die ESA-Weltraumsonde Hera vor Ort überprüfen.

Eine stereoskopische Ansicht des simulierten Einschlags

(Bild: S. D. Raducan (UNIBE)/C. Manzoni/B.H. May)

Vorgenommen wurden die rund 250 Simulationen auf einem Supercomputer der Universität, erklärt Teamleiterin Sabina Raducan. Dabei seien anhand aller bekannten Parameter jeweils die ersten zwei Stunden nach dem Einschlag reproduziert worden. Danach hat das Team überprüft, welche Simulationsergebnisse am ehesten mit dem übereinstimmen, was die italienische Weltraumsonde LICIACube vor Ort und die Weltraumteleskope Hubble sowie James Webb aus großer Entfernung beobachtet haben. Auf diesem Weg habe man nicht nur den mutmaßlichen Aufbau des Asteroiden und dessen Veränderung rekonstruiert. Die Forschungsgruppe schätzt auch, dass etwa ein Prozent der Masse von Dimorphos ins All geschleudert wurde, acht Prozent wurden um ihn verschoben.

Dass Dart auf Dimorphos wahrscheinlich keinen Krater geschlagen hat, hängt mit der jeweiligen Schwerkraft und Kohäsionskraft zusammen, ergänzt das Team. Eine von beiden beende normalerweise die Formung von Kratern. Auf der Erde etwa ist die Schwerkraft so groß, dass die Kraterbildung schnell geht. Bei einem Einschlag sehe man einen typischen Kraterkegelwinkel von 90 Grad, während man bei dem Asteroiden bis zu 160 Grad beobachtet habe. Sowohl Schwer- als auch Kohäsionskraft seien zu gering, um die Kraterbildung rasch zu beenden. Den Unterschied könne man etwa mit Mehl und Sand veranschaulichen: Während herabfallendes Mehl aufgrund seiner größeren Kohäsionskraft eine konische Form annimmt, wird Sand nur schwach angehäuft.

Sollte die ESA-Sonde vor Ort bestätigen, dass Dimorphos einem riesigen Trümmerhaufen ähnelt, dessen Teile nur schwach zusammenhalten, hätte das auch Konsequenzen für unser Verständnis von seiner Geschichte. Das stärke die Hypothese, wonach der Asteroid hauptsächlich aus Material besteht, das sein Mutter-Asteroid Didymos ins All geschleudert hat, schreibt das Team. Außerdem müsste dann überdacht werden, wie sich die Menschheit verteidigen sollte, wenn solch ein Himmelskörper auf Kollisionskurs mit der Erde ist. Während das Team um Raducan die Ansicht vertritt, dass das eine gute Nachricht sei, hat eine vor einem Jahr vorgestellte Studie nahegelegt, dass aus vergleichsweise losen Ansammlungen von Geröll bestehende Asteroiden überraschend schwer zu zerstören sind.

Die NASA-Sonde Dart (Double Asteroid Redirection Test) war am 27. September 2022 um 01:14 Uhr MESZ in den Asteroidenmond Dimorphos gerast. Mit der Kollision hat die NASA ein Konzept zur Asteroidenabwehr getestet, erstmals hat die Menschheit damit gezielt die Bewegung eines Himmelskörpers verändert. Die Hoffnung ist, dass ein für die Erde gefährlicher Asteroid durch solch einen Einschlag so weit abgelenkt werden könnte, dass er unseren Heimatplaneten verfehlt. Die Dart-Sonde ist bei dem Test mit einer Geschwindigkeit von 6 km/s (21.600 km/h) in den etwa 160 m großen Dimorphos gerast. Der umkreist den etwa 800 m großen Asteroiden Didymos. Beide Asteroiden stellen keine Gefahr für die Erde dar, was sich auch durch die Kollision nicht geändert hat.

(mho)