NETmundial: Brasiliens Präsidentin eröffnet Netzkonferenz

Auf der Konferenz NETmundial in Sao Paulo will die internationale Netz-Community über die Zukunft der Netzverwaltung nach dem Rückzug der Amerikaner diskutieren. Einig sind sich die Vertreter von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Organen nicht.

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Von
  • Monika Ermert

Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Roussef hat zum Auftakt der Netz-Konferenz NETmundial in Sao Paulo ihre Kritik an der massenhaften Überwachung von Politik, Wirtschaft und Bürgern durch Geheimdienste erneuert. Ausspähung sei "inakzeptabel" und ein "Affront gegen die Natur des Netzes als demokratische, freie und pluralistische Plattform", sagte Roussef am Mittwoch zur Eröffnung der Konferenz, auf der zwei Tage lang Grundrechtsprinzipien fürs Netz und Reformen für die Netzaufsicht diskutiert werden sollen.

ICANN, IANA & Co.: Die Verwaltung des Internets

Diverse Organisationen sind für die Verwaltung des Internets zuständig - die ICANN und die ihr zugeordnete IANA etwa verwalten die weltweiten IP-Adressen und die DNS-Rootzone, die IETF ist für die Protokollstandards verantwortlich. Bis vor kurzem noch bedingte sich die USA die letzte Entscheidungsgewalt aus.

Mit ihrer klaren Stellungnahme gegen die massenhafte Überwachung trat Roussef Befürchtungen entgegen, dass Edward Snowdens Enthüllungen, die der eigentliche Anstoß für die Konferenz waren, in Sao Paulo kein Thema mehr sein würden. In einer Rede vor den Vereinten Nationen hatte die brasilianische Präsidentin zuvor für Regeln gegen die Überwachung und eine neue Netzaufsicht geworben und den Anstoß für die Konferenz gegeben.

Web-Veteran Tim Berners-Lee nannte in Sao Paolo die Massenüberwachung die unmittelbarste Bedrohung für das Internet. Berners-Lee begrüßte die Verabschiedung des Marco Civil, Brasiliens Version einer Internet-Grundrechtecharta, die das brasilianische Parlament nach jahrelanger Debatten eigens am Vorabend der Konferenz auf den Weg gebracht hatten. Der Marco Civil enthält Klauseln zum Schutz der Netzneutralität. "Die innovative Explosion, die das Netz in den letzten 25 Jahren erlebt habe, war nur möglich, weil das Netz neutral war", sagte Berners-Lee und bezeichnete das Gesetz als Vorbild.

Als Vertreterin der Zivilgesellschaft dankte die nigerianische Open-Source-Aktivisin Nnenna Nwakanma dem Whistleblower und forderte, die Konferenz solle unter anderem ein Bekenntnis gegen Cyberwar, für Grundrechte und Datenschutz ablegen. Auch der deutsche Ableger des Internet Governance Forum, das IGF-DE, forderte, ein Verbot der Massenüberwachung und die Verpflichtung zur Netzneutralität in den geplanten Grundrechtekatalog aufzunehmen. Beide Aspekte waren laut Bürgerrechtsvertretern aus ersten Entwürfen für das NETmundial-Abschlussdokument gestrichen worden.

Ein Konsens über das Abschlussdokument scheint allerdings schon am Eröffnungstag fraglich. Russland und Saudi Arabien kritisierten, es werde noch zu sehr am Status Quo der Netzaufsicht festgehalten. Die Grundrechteerklärung sei nicht beschlussfähig. Der russische Minister für Kommunikation und Massenmedien, Nikolai Nikiforov, brachte die immer wieder erhobene Forderung ins Spiel, dass Netzpolitik bei der UN beheimatet sein sollte. Die ICANN sei keine anerkannte internationale Organisation. Eine politische Antwort auf die Spähaffäre stehe ebenfalls aus.

US-Vertreter Michael Daniel konterte solche Ideen mit einer Warnung: Einige Staaten wollten Enthüllungen über das Signal-Intelligence-Programm der USA als Vorwand benutzen, um die staatliche und zwischenstaatliche Aufsicht über das Internet auszuweiten. (vbr)