NSA-Ausschuss: BND fühlt sich von der Politik im Stich gelassen

Es gebe Unschärfen und Graubereiche bei den Befugnissen des Bundesnachrichtendienstes, räumte ein Ex-Abteilungsleiter der Behörde ein. Für die Spione existierten im Ausland so kaum Grenzen. Das Parlament müsse klare Vorgaben machen.

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NSA Abhöraffäre

(Bild: dpa, Andreas Gebert)

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"Ich bin mir sicher, dass wir uns an Recht und Gesetz gehalten haben", erklärte Harald Fechner am Donnerstag im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Er war von 2008 bis 2009 Abteilungsleiter für Technische Aufklärung beim Bundesnachrichtendienst (BND). Es habe "sicherlich hier und da fehlerhaftes Handeln gegeben". Dies sei aber auf seltene Fälle beschränkt gewesen und nicht vorsätzlich passiert. "Oft zersetzende Vorurteile gegenüber dem BND und seiner Mitarbeiterschaft" sowie Verschwörungstheorien in der Presse und in Blogs seien daher nicht angebracht: "Wir sind eine hoch motivierte, engagierte Truppe verantwortungsbewusster Menschen."

Fechner erkannte aber an, dass es "Unschärfen" und "Graubereiche" rund um die Befugnisse des Auslandsgeheimdienstes etwa bei der "Funktionsträgertheorie" oder der "20-Prozent-Vorgabe" der mitzuschneidenden Leitungskapazität gebe. Er schloss sich der Ansicht des Mannheimer Staatsrechtlers Matthias Bäcker an, dass der Aufklärungsarbeit der Behörde teils die rechtliche Grundlage fehle. Wenn die Tätigkeiten des BND im Ausland aber "im rechtsfreien Raum stattfindet, kann es wohl kaum Grenzen und Hürden gegeben haben, die von BND-Mitarbeitern überschritten wurden". Auf jeden Fall beförderten "nicht mehr zeitgemäße Gesetze mit weitem Interpretationsspielraum unterschiedliche Rechtsauffassungen", die von "akademisch" bis "scheinheilig" reichten.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Die Politik müsse daher schnellstmöglich die dringende Debatte über die Unverletzlichkeit des Fernmeldegeheimnis und des Sicherheitsbedürfnisses führen und beide Bereiche austarieren, forderte der Elektrotechniker. "Überlegen Sie sich, was für Grenzen Sie zu setzen haben." Sollten die Abgeordneten dabei das Kind mit Bade ausschütten und die hiesige Fernmeldeaufklärung mit offensichtlichen NSA-Verstößen und Wirtschaftsspionage in einem Topf werfen, würde dies aber "sicher andere Geheimdienste erfreuen". Die Welt würde indes nicht am deutschen Wesen genesen. Dass Spione am liebsten an der Quelle an Daten herankommen wollten, sei nun einmal so. Sie sollten ihren Regierungen schließlich Informationen liefern, die "nicht in ausländischen Zeitungen stehen".

Ans Abfischen von "Massendaten" im Internet hat sich der BND dem Zeugen zufolge im Umfeld des 11. September 2001 mit Hilfe der USA herangetastet. Der NSA-Techniker und spätere Whistleblower William Binney habe bei einem Besuch zuvor klargemacht, "dass wir mit Kurzwellen- und Satellitenerfassung nicht weiterkommen". Das Internet werde beherrschend und damit würden neue Methoden nötig, um vor allem auch an Metadaten zu kommen. Der BND sei daher "Feuer und Flamme" gewesen, um "viel zu lernen und nach Möglichkeit demnächst auch anzuwenden". Dass man Verbindungs- und Standortdaten auch verwenden könne, "um einen totzuschießen", sei damals überhaupt kein Thema gewesen. Es sei vor allem um Telefonnummern gegangen.

Zu dieser Zeit war Fechner nach eigenen Angaben für die Kooperation mit der NSA an deren Standort Bad Aibling zuständig. Washington wollte sich damals aus dem Satelliten-Horchposten herausziehen, von dortigen möglichen Erkenntnissen aber weiter profitieren. Im Rahmen der Übergabe an den BND kam von der US-Seite dem Zeugen zufolge das Angebot, auch beim Zugriff auf Netzknoten zu helfen, was Jahre später in Frankfurt bei der Deutschen Telekom mit der Operation Eikonal erstmals in die Praxis umgesetzt wurde. Von der NSA habe der BND etwa Server und Router übernommen.

Um Daten von Bundesbürgern außen vor zu halten, sei in Zusammenarbeit mit einer deutschen Firma der sogenannte Davis-Filter entwickelt worden, erläuterte der Zeuge. Die zuständigen BND-Mitarbeiter hätten sich damals Handbücher wie "Internet for Dummies" gekauft, um sich zurechtzufinden. Dass Eikonal eingestellt worden sei, könne auch damit zusammenhängen, dass der "Filtermechanismus nicht ganz sicher war". Es sei denkbar, dass auch mal die ein oder andere Information über Deutsche von Bad Aibling nach Fort Meade zur NSA gewandert sei. Dem Vernehmen nach hätten die BND-Kollegen aber sofort reagiert und verbliebene Daten Deutscher manuell ausgesiebt.

Oppositionspolitiker stießen sich vor allem an der Äußerung des Praktikers, dass sich der BND quasi teils in einem rechtsfreien Raum bewegen dürfe. "Sie täuschen sich fundamental, wenn sie meinen, das Grundgesetz könnte gelten oder nicht", betonte Konstantin von Notz von den Grünen. Dem BND unterstellte er nach dem ersten Jahr Ausschussarbeit eine "kollektive Amnesie", was die tatsächlich erhobenen Datenmengen angehe. Den Zeugen überführte von Notz einer Falschaussage in Bezug auf ein von diesem unterzeichnetes Schreiben zur fehlerhaften Filterung, das Fechner zunächst nicht verfasst haben wollte. Martina Renner von den Linken monierte, dass weiter unklar bleibe, ob es ein Nachfolgeprojekt für Eikonal gegeben habe sowie wann und wie die Technik überhaupt abgebaut worden sei. (mho)