Netflix: Neues Abo mit Werbung, Sperren für Account Sharing

Seit Monaten spricht Netflix von werbefinanzierten Abos und der Sperrung von Nutzerkonten bei der Weitergabe von Zugangsdaten. Jetzt wird es zur Realität.

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(Bild: Netflix)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Nico Jurran
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Netflix macht Ernst: Nach einigen vagen Ankündigungen bietet der Videostreamingdienst ab dem 3. November dieses Jahres in Deutschland und elf weiteren Ländern erstmals ein günstigeres Abo mit Werbung an. Der neue Tarif kostet hierzulande monatlich 4,99 Euro – und ist praktisch eine Variante des bislang kleinsten "Basis-Abos", für das man regulär 7,99 Euro pro Monat zahlt. Wie dieses läuft es nur auf einem Gerät und bietet nicht die volle HD-Auflösung 1080p. Immerhin rüstet Netflix beim Basis-Abo mit und ohne Werbung von der mageren Standardauflösung (480p) endlich auf die "kleine" HD-Auflösung 720p auf.

Die meisten Netflix-Kunden dürften aktuell den Standardtarif mit zwei parallelen Streams in der vollen HD-Auflösung 1080p für monatlich 12,99 Euro nutzen. Nur im teureren Premium-Abo für 17,99 Euro bietet Netflix wiederum ein Ultra-HD-Bild und 3D-Sound an – mit bis zu vier parallelen Streams.

Der neue Tarif wird durchschnittlich vier bis fünf Minuten Werbung pro Stunde enthalten. Zum Start sollen die Werbespots 15 oder 30 Sekunden lang sein und vor und während der Serien und Filme laufen. Weitere Abstriche im Vergleich zu den teureren Abos: Es fehlen 5 bis 10 Prozent der sonst verfügbaren Filme und Serien. Laut Netflix hat dies lizenzrechtliche Gründe, man schaue aber, ob man diese Inhalte möglicherweise später bereitstellen könne. Welche Filme und Serien konkret betroffen sind, teilte Netflix bislang nicht mit. Außerdem gibt es keine Download-Funktion im Abo mit Werbung.

Weiterhin neu bei Netflix ist eine "Profiltransfer-Funktion". Damit extrahiert man Profile aus bestehenden Benutzerkonten und überführt sie in einen eigenen Account. Sehverlauf, Listen und Vorschläge werden dabei übernommen, sodass man mit dem neuen Konto nicht wie bisher von null startet. Das klingt gut, allerdings ist diese Funktion auch ein Mosaikstein in dem Plan, ab dem Frühjahr 2023 das weitverbreitete Teilen von Accounts strenger zu reglementieren beziehungsweise komplett zu unterbinden.

Laut dem US-Marktforschungsinstitut Magid geben rund 33 Prozent aller Netflix-Nutzer ihre Zugangsdaten an mindestens eine Person außerhalb des eigenen Haushalts weiter – und verstoßen damit gegen die AGB des Dienstes. Wie wir in einer früheren Ausgabe der bereits näher beschrieben, testet der Dienst in mehreren südamerikanischen Ländern bereits, wie sich mithilfe der Auswertung der IP und Device-IDs dieses Account Sharing – zumindest an TVs und über Streaming-Player – verhindern lässt.

Als zweite Option neben dem Ausgliedern von Profilen will Netflix es Account-Inhabern ermöglichen, Personen außerhalb ihres Haushalts gegen einen Aufpreis als "Unter-Accounts" oder "Zusatzmitglied" kostenpflichtig hinzuzubuchen. In lateinamerikanischen Testländern kostete bisher umgerechnet wenige Euro monatlich mehr pro Person, im Vergleich zu zwei separaten Abos die günstigere Variante.

Die Wahlmöglichkeit kommt nicht von ungefähr: Netflix ist nicht damit gedient, wenn die ausgesperrten Zuschauer nicht mehr zuschauen. Ziel des Managements ist es vielmehr, diese Nutzer dazu zu bringen, eigene Abos abzuschließen. Doch dafür müssen die Nutzer davon überzeugt sein, dass Netflix das Geld wert ist.

Harmlos aussehende Mail an Bestandskunden: Mit der Einführung der Profiltransfer-Funktion schafft Netflix die Möglichkeit, Mitgucker leichter von einem Stammkonto zu trennen.

Einfacher wird die Lage dabei für Netflix nicht, da das Angebot an Alternativen weiter wächst. So geht am 8. Dezember mit Paramount+ der nächste Videostreamingdienst in Deutschland an den Start, der schon zu Beginn mit dem Mega-Blockbuster "Top Gun: Maverick", der Science-Fiction-Serie "Star Trek: Strange New Worlds" sowie der amerikanischen Dramaserie "Yellowstone" und deren Prequel "1883" auftrumpft. Ab dem 22. Dezember kommt mit "Der Scheich" bereits die erste lokal produzierte Serie hinzu.

Paramount+ wird regulär monatlich 7,99 Euro beziehungsweise 79,99 Euro im Jahr kosten und über Plattformen wie Apple TV und Roku-Player verfügbar sein. Nutzer von Amazon Prime Video können den Dienst als Kanal hinzubuchen.

Vor allem aber poliert Sky mit Paramount+ sein Cinema-Paket auf: Der US-Dienst wird hier ohne Aufpreis integriert, die Monatsgebühr bleibt also bei aktuell 25 Euro (inklusive Netflix-Basis-Abo ohne Werbung). Allerdings hat das Cinema-Paket eine anfängliche Mindestlaufzeit von einem Jahr, danach steigt der Monatpreis auf 37,50 Euro – bei monatlicher Kündigungsfrist. Bei Skys monatlich kündbarem Dienst "Wow" (ehemals "Sky Ticket") wird es Paramount+ nicht geben. Ein weiterer Wermutstropfen: Obwohl Paramount+ in den USA eine UHD-Auflösung mit HDR-Bild und 3D-Sound bietet, ist zumindest über Sky vorerst HD-Auflösung das Höchste der Gefühle.

Ob Netflix’ Strategie Erfolg hat, wird sich zeigen. Klar ist aber schon, dass das Image des Unternehmens stark gelitten hat. Jahrelang präsentierte sich der Dienst als Technikunternehmen, das im Unterschied zu schnöden Medienkonzernen mit einem ausgefeilten Algorithmus jedem Kunden ein maßgeschneidertes Unterhaltungsprogramm bietet. Investoren gingen diesen Weg mit und stellten Netflix in eine Reihe mit Unternehmen wie Amazon, Facebook oder Google – mit entsprechend hoher Bewertung, die weit über denen klassischer Medienkonzerne lag. Nun zeigte ausgerechnet Disney+, wie leicht sich das Geschäftsmodell von Netflix kopieren und sogar übertreffen lässt: Der Neuling kam in drei Jahren auf Abozahlen, die sich Netflix in knapp zwölf Jahren erarbeitet hatte.

Paramount+ will noch in diesem Jahr den Blockbuster "Top Gun: Maverick" zum Abruf bereitstellen.

(Bild: Paramount Pictures. )

In einem anderen Licht erscheint nun auch das vom Netflix-CEO Reed Hastings gerne propagierte Unternehmensmotto "We’re a team, not a family" ("Wir sind ein Team, keine Familie"). Mitarbeiter sind demnach nicht Teil einer großen Familie, sondern Spieler einer Profi-Mannschaft. Wer auf Dauer nicht die geforderte Leistung bringt, wird ausgewechselt. Im Gegenzug lockte man "Topspieler" mit viel Geld – vor allem in Form von Aktienoptionen. Als der Netflix-Kurs fiel, verloren nicht nur diese Optionen drastisch an Wert, auch das Motto schien nach hinten loszugehen: Während laut Manager Magazin jahrelang kaum jemand freiwillig Netflix verließ, fühlten sich Leistungsträger nun nicht mehr an das Unternehmen gebunden und würden abspringen. Für Netflix bleibt nur zu hoffen, dass die Kunden nicht diesem Beispiel folgen.

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