Netzabgabe: Monopolkommission und Verbraucherschützer warnen vor Datenmaut​

Der Widerstand gegen die EU-Pläne, US-Riesen wie Meta oder Google für die Netze zur Kasse zu bitten, wächst. Jetzt warnt auch die deutsche Monopolkommission.

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(Bild: metamorworks/Shutterstock.com)

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Die von der EU-Kommission vorbereitete Infrastrukturabgabe für große Plattformbetreiber wie Amazon, Apple, Google, Meta, Microsoft und Netflix stößt auf immer mehr Widerstand. Die Monopolkommission schreibt in ihrem am Mittwoch erschienenen aktuellen Politikbrief, ein solcher regulatorischer Eingriff sei gegenwärtig nicht gerechtfertigt. Zugleich protestiert eine breite Allianz aus rund 50 zivilgesellschaftlichen Organisationen und Internetunternehmen in einem offenen Brief gegen die Pläne herausgegeben.

Die vor allem von großen europäischen Telekommunikationsunternehmen wie Deutsche Telekom, Orange, Telefónica und Vodafone geforderte Infrastrukturabgabe berge die Gefahr, "dass der Wettbewerb auf unterschiedlichen Märkten des Internet-Ökosystems erheblich beeinträchtigt wird", gibt die Monopolkommission zu bedenken. Zudem lägen nicht einmal Indizien dafür vor, dass ein Umverteilungsmechanismus zwischen "datenverkehrsintensiver" Over-the-Top-Anbietern (OTT) und Netzbetreibern die Marktsituation verbessern könnte.

Es sei zwar richtig, dass insbesondere die zunehmende Beliebtheit von Video-Streamingdiensten das Wachstum des Internetdatenverkehrs seit Jahren antreibe. Die großen Plattformbetreiber investierten deshalb auch in eigene Infrastruktur wie Content Delivery Networks (CDNs). Dies reduziere den Datenverkehr in den Leitungen der Telcos und erhöhe zugleich die Übertragungsqualität.

Diese Entlastung gehe mit einem Bedeutungsverlust der Netzbetreiber einher, führt die Monopolkommission weiter aus. Damit werde die relative Verhandlungsposition der OTT-Anbieter bei Zusammenschaltungsvereinbarungen (Peering) gestärkt und die Internetarchitektur werde hierarchisch flacher. Dennoch blieben Netz- und Plattformbetreiber in ihrem geschäftlichen Erfolg wechselseitig voneinander abhängig: Das Qualitätserlebnis der Nutzer werde sowohl von der Infrastruktur als auch von den Diensten und Inhalten beeinflusst.

In dieser Beziehung habe sich die Verhandlungsmacht vereinzelt von den Netzbetreibern zu den Big-Tech-Konzernen verschoben, erklärt die Monopolkommission. Regulierungsbehörden zufolge nähmen die Streitfälle bei der Zusammenschaltung von Netzen aber nicht auffällig zu. Es gebe daher gegenwärtig keinen Bedarf für einen Eingriff in die Peering- und Transitmärkte. Auch für ein Trittbrettfahren der OTT-Anbieter auf den Infrastrukturen der Netzbetreiber existierten keine Anzeichen: Die Endkunden zahlten bereits Internetzugangsgebühren, um unter anderem Streamingdienste nutzen zu können.

Neue, individuelle Zahlungsvereinbarungen würden in diesem Umfeld den Wettbewerb sogar verzerren, warnen die Experten. Einige besonders marktmächtige Plattformbetreiber dürften zudem in der Lage sein, die erhöhten Kosten an Endkunden weiterzureichen. Dies widerspreche der Grundidee der EU-Verordnung zur Netzneutralität, wonach marktstarke OTT-Anbieter bei der Nutzung von Netzen keine strukturellen Vorteile haben sollten. Ferner stehe genügend Kapital durch private Investoren für den Glasfaserausbau in Deutschland zur Verfügung. Insgesamt seien eine Infrastrukturabgabe oder sonstige Netzentgelte so abzulehnen.

"Ein Mechanismus direkter Zahlungen an die etablierten Telekommunikationsunternehmen hätte in der Tat unmittelbare und weitreichende negative Folgen", für die europäischen Unternehmen und die Konsumenten, schlägt zugleich die Koalition besorgter Interessenvertreter Alarm, der unter anderem der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv), die EU-Dachorganisation Beuc, Access Now, European Digital Rights (EDRi), die Electronic Frontier Foundation (EFF), Epicenter.works und die European VOD Coalition angehören. Eine neue Gebühr würde sich direkt auf die Kosten und die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher auswirken. Die Vielfalt und Qualität der Produkte und Dienstleistungen dürften darunter leiden.

Sollte die Kommission an ihrem Vorhaben festhalten, zu dem sie aktuell eine auch von EU-Abgeordneten als "voreingenommen" kritisierte Konsultation durchführe, sei dies "kontraproduktiv". "Es gibt keine Hinweise darauf, dass im Telekommunikationssektor ein echtes Problem oder Marktversagen vorliegt", heißt es in dem offenen Brief. Eine verkehrsabhängige Datenmaut werfe zudem "ernsthafte Wettbewerbsbedenken" auf. Mit dem Plan der EU-Kommission für eine Regulierung light im Glasfasersektor wachse ferner die Gefahr, "dass die Macht der etablierten Telekommunikationsunternehmen unverhältnismäßig gestärkt wird".

(vbr)