Netzausbau: Wirtschaft fordert schnellere Genehmigungsverfahren ein
Mehrere Verbände sehen den Digitalstandort Deutschland in Gefahr, wenn nicht bald das Gesetz zur Beschleunigung des Netzausbaus kommt. Naturschutz: zweitrangig.
Ein Bündnis aus der Telekommunikations- und Energiebranche erhöht den Druck auf die Bundesregierung, sich endlich auf einen gemeinsamen Ansatz für das seit Langem geplante Gesetz zur Beschleunigung des Netzausbaus zu einigen. Der Energieverband BDEW, die Breitbandallianzen Anga und Breko sowie der VATM, in dem sich Wettbewerber der Deutschen Telekom zusammengeschlossen haben, appellieren gemeinsam an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), "dieses wichtige Vorhaben zur Chefsache zu erklären". Die Initiative soll den Glasfaser- und Mobilfunkausbau vereinfachen und für Tempo sorgen. Geringfügige Baumaßnahmen an der Infrastruktur könnten damit ohne Genehmigung durchgeführt werden.
Der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) für das Beschleunigungs-Gesetz liegt bereits seit August vor. Seit Monaten taucht das Vorhaben auch auf den Zeitplänen für das Bundeskabinett auf, wird aber regelmäßig kurz vor knapp wieder von der Agenda für die konkreten Sitzungen gestrichen. Ein abgestimmter Regierungsentwurf, der dann durch Bundestag und Bundesrat gehen könnte, lässt so weiter auf sich warten. Als Grund dafür gilt vor allem, dass sich das BMDV und das Umweltministerium nicht einigen können, ob der Ausbau – insbesondere mithilfe von Mobilfunkmasten – als "im überragenden öffentlichen Interesse" definiert werden soll. In diesem Fall müssten Natur- und Denkmalschutz gegebenenfalls zurückstehen.
"Diese Entwicklung lässt uns mit Sorge auf den Digitalstandort Deutschland und die Ausbaupläne der Bundesregierung blicken", erklären die Verbände dazu. "Schnellere Genehmigungsverfahren und weniger Bürokratie sind ein wichtiger Schlüssel, um den flächendeckenden Glasfaser- und Mobilfunkausbau bis 2030 zu erreichen. Dass zwischen Kiel und Konstanz hohe Datenraten fließen können, ist Grundvoraussetzung sowohl für die Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen als auch die Realisierung gesellschaftlicher Großprojekte wie der Energiewende." Ohnehin gilt es schon als fraglich, ob bis zum Ende des Jahrzehnts Gigabit für alle verfügbar sein wird.
Bitkom will "Vorfahrt fĂĽr den Netzausbau"
Der Digitalverband Bitkom verlangt separat ebenfalls "Vorfahrt für den Netzausbau", da allein Genehmigungen für Bauanträge für neue Masten oder Leitungen derzeit Monate oder gar Jahre bräuchten. Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder verlangt: "Das Bundesumweltministerium sollte den Fuß von der Bremse nehmen und dem Netzausbau jene Bedeutung zugestehen, die er hat: Telekommunikationsnetze sind, ebenso wie der Ausbau erneuerbarer Energien, von 'überragendem öffentlichem Interesse' und sollten auch offiziell so eingestuft werden." Das sei für die Genehmigungsbehörden wichtig, "um bei Zielkonflikten insbesondere mit dem Naturschutz den Weg für den Netzausbau freimachen zu können".
Rohleder erinnert auch an das Vorhaben der Bundesnetzagentur, die Versorgungsauflagen für die großen Netzbetreiber bei der nächsten Frequenzvergabe deutlich zu erhöhen: Bis 2030 müssten dann Telekom, Vodafone und Telefónica (o2) 99,5 Prozent der gesamten Fläche Deutschlands abdecken. Gleichzeitig bestünden 32 Prozent davon aber aus Wald und über vier Prozente seien als Naturschutzgebiete ausgewiesen, gibt Rohleder zu bedenken. Damit die Unternehmen die vorgesehenen Bedingungen überhaupt erfüllen könnten, müsse die Regierung "jetzt unverzüglich die rechtlichen Hürden aus dem Weg räumen".
Andernfalls sollte die Exekutive den Verbrauchern reinen Wein einschenken, dass derzeit aus politischen Gründen nicht alle Mobilfunklöcher geschlossen werden könnten, heißt es beim Bitkom. Da bringe es nichts, mit dem Finger auf die Netzbetreiber zu zeigen. Zumindest die Digitalministerkonferenz von Bund und Ländern war sich im April einig: Die Digitalisierung muss beschleunigt werden.
(mho)